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staatliche Regulierung Gesundheitswesen?

 
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fkremer
DMF-Mitglied


Anmeldungsdatum: 18.09.2006
Beiträge: 22

BeitragVerfasst am: 07.11.07, 10:46    Titel: staatliche Regulierung Gesundheitswesen? Antworten mit Zitat

Liebes Forum

habe folgende Fragen:

1. Warum gibt es im Gesundheitswesen solch eine umfangreiche staatliche
Regulierung, warum baut man nicht auf Freiwilligkeit?

2. Welche Arten von Leistungen unterscheidet man bei Gesundheitsversorgungssystemen?

3. Welche Vor- und Nachteile weisen die verschiedenen Finanzierungsverfahren
für Gesundheitsversorgungssysteme auf?

Vielen Dank für eure Antworten.
MFG
Florian[/b]
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Gast H
Gast





BeitragVerfasst am: 08.11.07, 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

die Beantwortung Ihrer Fragen ist so komplex, dass sie ganze Bücher füllen könnte. Mediziner, Gesundheitsökonomen und (leider Winken) Politiker beschäftigen sich damit schon seit Jahrhunderten. Darum nur ein kurzer, allgemeiner Anriß.

zu 1.) Eine gewisse Regulierung wird im Gesundheitswesen nicht zu vermeiden sein. Sonst hätten Sie in kürzester Zeit ein Übermaß an Scharlatanen und Scheinheilern, verbunden mit einem völlig intransparenten Heilangebot. Ferner hätten Sie sehr schnell eine abruptes Gesundheitsgefälle zwischen arm und reich, auch einen Trend zur Monopolisierung. Staatliche Eingriffe sollen also insbesondere der Qualitätssicherung und der sozialen Abfederung dienen, mit Freiwilligkeit ist da leider nichts zu machen.

zu 2.) Jedes Versorgungssystem sollte alle verfügbaren medizinischen Leistungen einschließen, die Kunst besteht in der "gerechten" und vernünftigen Anwendung.

zu 3.)
Umlagefinanzierung
V: sozialer Ausgleich
N: demografische Deckungslücken, tw. Verschwendung, Versorgungsmängel
Kapitalfinanzierung
V: gute Versorgung (allerdings nur für die, die an der Kapitalanhäufung beteiligt sind)
N: Zweiklassenmedizin, Abhängigkeit von Entwicklungen am Geldmarkt
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rs
Interessierter


Anmeldungsdatum: 09.11.2007
Beiträge: 12
Wohnort: Luzern

BeitragVerfasst am: 27.11.07, 14:11    Titel: Antworten mit Zitat

Gesundheitswesen ist eine hoheitliche Aufgabe des Staates, wie Kommunikation und Verkehr. Es ist schon ein Paradoxon, das ausgerechnet in Deutschland diese Prinzipien, welche Fürst Bismarck bei der Reichsgründung formuliert hat, keine Beachtung mehr finden. Es gibt doch nichts gegen Regulierung zu sagen, wenn vernünftig, im Konsens und behutsam reguliert wird. Freiwilligkeit ist ein anarchisches Prinzip, da habe ich eigentlich nichts dagegen, aber es erfordert noch sehr viel mehr Sorgsamkeit aller Beteiligten. Das sehe ich zurzeit nicht.

Was die Finanzierung angeht. Wir sehen heute bereits, das die staatlich finanzierten Systeme besser funktionieren als die auf Versicherungsbasis. Versichern kann man nur seltene Ereignisse, Krankheit und Tod sind notwendig. Für Tod ist das Gesundheitswesen nur formal zuständig, für Krankheit schon. Umlage ist Schnee von gestern, immer weniger Menschen können umlegen. Mediziner sind dazu da, Leiden zu lindern und ggf. zu vermeiden, nicht die dafür notwendige Kostenstruktur im Auge zu behalten. Unabhängig, was irgendwelche Reformen bringen, das Gesundheitswesen wird immer teurer, bis es mal das ganze BIP frisst, aber wozu ist das BIP sonst da. In erster Näherung arbeitet jeder für sich, in zweiter für alle, aber nicht für andere Singuläre.

Ralf Schrader
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Anmeldungsdatum: 27.03.2005
Beiträge: 2794
Wohnort: Lörrach

BeitragVerfasst am: 27.11.07, 18:05    Titel: Und die Antithese Antworten mit Zitat

Praktische Gesundheitsfürsorge fand schon immer und findet bis heute statt in einer Zweierbeziehung. Sie existierte lange bevor es Staaten und ihre Reglementierungen gab. Die therapeutische Zweierbeziehung ist archaisch und exklusiv. Wie die Erforschung des Plazebo-Effekts zeigt, wohnt ihr eine genuine Heilwirkung inne. Sie ist es, die vom Patienten gesucht wird.

Der Staat trat später hinzu. Sein Blick richtet sich nicht auf das Individuum sondern auf das Kollektiv. Er formt Organe aus, die dem Wohl des Kollektivs dienen sollen. Es gibt Staaten, zu deren Organen auch solche zur Gesundheitsfürsorge gehören (etatisiertes Gesundheitswesen). Und es gibt Staaten, welche bereits vorhandene Strukturen zur Gesundheitsfürsorge adoptiert haben (privatwirtschaftliches Gesundheitswesen). Zu denen gehört Deutschland. Damit drängt sich der Staat, der das Kollektiv im Blick hat, in die Zweierbeziehung, die das Individuum im Blick hat. Vollends mit der Errichtung von "solidarischen" Ausgleichkassen - und jetzt erst kommt der Herr Bismarck ins Spiel - entsteht aus der genuin exklusiven therapeutischen Zweierbeziehung ein - auch juristisches - Dreiecksverhältnis.

Dreiecksverhältnisse sind a priori spannungs- und konfliktreich. Die diesem Verhältnis inhärenten Konflikte werden in unterschiedlichen Staaten und zu unterschiedlichen Zeiten durchaus unterschiedlich ausgetragen, und mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Derzeit erleben wir den Versuch des Staates, die (Macht-) Gewichte im Dreiecksverhältnis zu seinen Gunsten zu verschieben. Einen ähnlichen - teils fatal "gelungenen" - Versuch hat der Deutsche Staat im "Dritten Reich" unternommen.

Wenn immer sich die Machtgewichte im Dreiecksverhältnis Patient - Heilkundiger - Staat (stellvertretend Kasse) verschieben, gerät die vom Patienten genuin gesuchte therapeutische Zweierbeziehung in Gefahr, von - dem Patienten sekundären - kollektiven Interessen überschrieben und fremdbestimmt zu werden. An diesem Punkt steht Deutschland heute.

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rs
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Anmeldungsdatum: 09.11.2007
Beiträge: 12
Wohnort: Luzern

BeitragVerfasst am: 27.11.07, 20:29    Titel: Antworten mit Zitat

Das genuine Arzt- Patient- Verhältnis ist nicht Gegenstand von Gesundheitspolitik. Letztere entsteht nun einmal durch das Eintreten des Staates in diese Beziehung.

Ralf Schrader
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Anmeldungsdatum: 27.03.2005
Beiträge: 2794
Wohnort: Lörrach

BeitragVerfasst am: 27.11.07, 20:47    Titel: Woraus sich folgern ließe, Antworten mit Zitat

dass Gesundheitspolitik meine Arbeit gar nicht betrifft ?

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rs
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Anmeldungsdatum: 09.11.2007
Beiträge: 12
Wohnort: Luzern

BeitragVerfasst am: 28.11.07, 07:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ärzte haben mit Gesundheitspolitik so viel zu tun wie Tankwarte mit Verkehrspolitik.

Ralf Schrader
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gesundbrunnen
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Anmeldungsdatum: 01.11.2007
Beiträge: 297
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BeitragVerfasst am: 28.11.07, 09:32    Titel: Antworten mit Zitat

Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist in der Tat Gegenstand nur derjenigen Politik, die sich mit dem Erlass des allgemeinen Zivil- und Strafrechts befasst, wo sich aber in den letzten 100 Jahren kaum was geändert hat.
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Anmeldungsdatum: 27.03.2005
Beiträge: 2794
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BeitragVerfasst am: 28.11.07, 12:19    Titel: Das ist der Unterschied Antworten mit Zitat

zwischen de iure und de facto, zwischen Sagen und Tun, zwischen Sprachregelung und Wirklichkeit.

De facto wird massiv in das individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis hineinregiert, seitdem ich mit Medizin zu tun hab.

Das Gegenteil zu behaupten heißt für mich: na wie wohl ?
Newspeak, Volksverdummung.

PR
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Anmeldungsdatum: 27.03.2005
Beiträge: 2794
Wohnort: Lörrach

BeitragVerfasst am: 28.11.07, 13:25    Titel: Vom Tankwart und der Verkehrspolitik Antworten mit Zitat

Natürlich redet der Tankwart von der Verkehrspolitk. Jeden Tag ein paarmal.

Mit der Mittsiebzigerin, die seit der Krebsoperation vor zwanzig Jahren von den Zehen bis übern Po voller Wasser steckt und mit ihrer Gesundheitskasse jedes Jahr länger rummachen muß, bevor sie die stationäre Drainagetherapie genehmigt kriegt, oder mit dem Hausarzt streitet, weil der das Antragsformularsbeanttragungsformular für die Kur noch nicht fertig hat.

Mit der Inkontinenten, die hört, das Verordnungsbudget sei aufgebraucht, die teuren Tabletten gäbs erst im nächsten Jahr wieder, und von den Vorlagen nur die billigsten.

Mit der zur Früherkennung Angemeldeten mit Beschwerden, die hört, im Januar sei schon eine Früherkennung gemacht worden, ich könne mich im November bloß um die aktuellen Beschwerden kümmern, nach Dezember dürfe sie das Gerät dann nochmal für die Früherkennung besteigen.

Mit der Mammapatientin und dem Lymphoedem, die hört, nach dem Wiederholungsrezept für Lymphdrainage sei der Regelfall abgeschlossen, die Heilmittelverordnungsrichtlinie sehe jetzt ein Vierteljahr Pause vor, zehn Behandlungen gingen eh nicht, nur sechs.

Mit der dürren blonden Endsechzigerin, der die Osteoporose längst anzusehen ist, die hört, ohne vorangegangene Fraktur sei sowohl die Dexa-Densitometrie als auch das Bisphosphonat Privatvergnügen.

Mit der Siebzigjährigen und den zwei Schwestern mit Mammakarzinom, die hört, die Screeningmammographie gäbs nur bis Ende neunundsechzig.

Und so weiter.

PR
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