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Umgang mit dem Tod

 
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Enibas
Gast





BeitragVerfasst am: 18.09.04, 13:08    Titel: Umgang mit dem Tod Antworten mit Zitat

Hallo,

ich komme einfach nicht mit dem Tod zurecht. Ich will versuchen es hier mal in Kurzform zu beschreiben:

Zuerst wurde sein Stiefvater vor ca. 6 Jahren von einem Tag auf den anderen schwerstkrank, lies unzählige Therapien über sich ergehen bis er ganz ans Bett gefesselt war und sich nicht mehr bewegen konnte und leidigst 2 Jahre lang auf sein TOD wartete. So oft es nur ging haben wir ihn besucht und mußten uns stets schlimme Bilder vor Augen halten, wie er sich quälte (von den offenen Liegewunden ganz zu schweigen, die schmerzlichst gewesen sein müssen) und bis 2 Monate vor seinem Tod alles noch voll im Bewustsein aufnahm. Gestorben ist er dann 2002, trotzdem wir es eigentlich als eine Erlösung für ihn empfanden, habe ich immer noch das liegende Bild von ihm in absoluter Teilnahmslosigkeit vor mir.

Nun trifft es die Mutter meines Mannes. Anfang diesen Jahres wurde Streukrebs festgestellt. Nach ihrer Chemo im Frühjahr/Sommer gab es wieder Hoffnung. Und nun liegt sie zum Sterben im Hospiz. Das Bild von ihr, bei unserem Besuch letztes Wochenende sitzt in meinem Gehirn. Ich sah dort eine Frau, die ich nicht kannte. Von Schmerzmedikamenten vollgepumt ist sie aufgeplustert und bei jeder Berührung mit ihrem Körper tritt Wasser aus der Haut.

Tja, warum schreibe ich hier rein?

Ich kann nicht mehr. Ich habe Angst sie erneut besuchen zu müssen und immer schreckliche Bilder in meinem Gehirn eingebrannt zu bekommen.

Früher habe ich schon mal in abnormaler Form meinen Opa kurz vor seinen Tod sehen müssen und ich sehe ihn immer noch hilfesuchend, mit seinen Armen nach mir greifend, in seinem Bett liegen mit völlig verzehrtem Gesicht. Das war 1990 gewesen, in diesem Jahr starb er dann auch.

Ich komme mir vor wie im schlechten Film, und schaffe es einfach nicht zu verarbeiten. Wenn ich mir andere Leute anschaue, die ebenfalls schon Angehörige verloren haben, dann habe ich den Eindruck, daß sie zwar nicht vergessen aber doch relativ gut über ihre Verstorbene sprechen können. Wenn ich das auch versuche, dann sehe ich gleich die schrecklichen Bilder vor mir und muß aufhören zu erzählen, da mir eimerweise Tränen laufen.

Selbst wenn ich mir Fotos aus guten Zeiten anschaue, dann ist es für den Moment zwar relativ gut, aber sobald sie nicht greifbar sind, sehe ich nur noch die letzten bösen Bilder.

Wie oft ich das in der nächsten Zeit noch schaffe, meine Schwiegermutter zu besuchen weiß ich nicht, aber ich habe trotz meiner Angst den innerlichen Drang weiterhin ihr zur Seite zu stehen.
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Gast






BeitragVerfasst am: 18.09.04, 15:00    Titel: Re: Umgang mit dem Tod Antworten mit Zitat

Hallo enibas,
Bitte versuche, Deine Schwiegermutter auf dem letzten Stück noch ein bisschen zu begleiten. Auch wenn das weh tut. Sie braucht euch jetzt bestimmt.
Ich will versuchen, Dir meine Erfahrungen mit dem Tod zu schildern. Vielleihct fällt`s Dir dann ein bisschen leichter.
Ich habe vor über zehn Jahren meinen Vater verloren. Ich war damals 20 und er 46. Eigentlich hätte ich ihn noch ein bisschen gebraucht. Er hatte eine Leberzirrhose, nachdem er in seiner Jugend zweimal akut an Hepatitis B erkrankt war. er war vorher ein kräftiger Mann in den besten Jahren und sah dann innerhalb weniger Wochen zum Fürchten aus. Ich konnte damals gar nicht damit umgehen und hab auch Besuche im Krankenhaus nach Möglichkeit vermieden und das meiner Mutter unter blödsinnigenVorwänden weitgehend alleine überlassen. Wir haben danach lange lange gar nicht über diese Zeit und schon gar nicht über meinen Vater gesprochen - bis ich irgendwann gemerkt habe, dass nicht nur die Erinnerung an diese Zeit, sondern die an meinen Vater, wie er früher war, mir zum großen Teil "verlorengegangen" war. Ich hatte große Mühe, mich überhaupt an ihn zu erinnern und fand das zeimlich schade. Ganz abgesehen davon, dass mich das schlechte Gewissen plagte, weil ich ihn und meine Mutter alleine gelassen hatte, als sie mich beide am dringendsten brauchten. Irgendwann haben wir uns dann gemeinsam an die erlebnisse mit ihm erinnert, alte Bilder angeschaut und - Jahre nach seinem Tod - eigentlich erst richtig Abschied nehmen können.

Vor einiger Zeit hatte mein Freund, mit dem ich schon sehr sehr lange zusammen bin, eine schwere Hirnblutung und wurde in akuter Lebensgefahr komatös ins Krankenhaus gebracht. Ich erfuhr zwei Stunden später davon, am nächsten Tag hatte er eine Hirnoperation, die mehr als sechs Stunden gedauert hat. Man hat ein Blutgefäß im Kopf geclippt, damit es nicht erneut bluten konnte. Daran wäre er dann mit Sicherheit gestorben. Allerdings war er nach der OP nicht wachzubekommen, sondern weiterhin im Koma. Er wurde künstlich beatmet und druch eine Sonde ernährt.Sein Zustand war etwa drei Wochen lang so, dass man nicht wissen konnte, ob er das überleben würde oder nicht.
Ich bin immer mit seiner Mutter gemeinsam zur Intensivstation gegangen und wir haben immer viele Stunden lang an seinem Bett gesessen ohne dass er irgendwas sagen oder machen konnte. Aber er hat komische Geräusche von sich gegeben, manchmal stundenlang gestöhnt, hatte `ne Riesennaht am Kopf, ein Schlauch hing raus, aus dem blutiger Liquor ablief. Aber er hat es gespürt, dass man bei ihm war. Dass wir ihn gestreichelt und mit ihm gesprochen haben. Über die schönen Dinge, die wir erlebt haben, Spaziergänge oder eben alte Geschichten. Er wurde manchmal ganz ruhig dabei und es war (auch) schön, wenigstens das zu merken.
Ich habe mit seiner Mutter erst viel später darüber gesprochen, wie wie sich das für uns angefühlt hat.
Aber wir waren viel zusammen, um über ihn zu sprechen. Sie erzählte mir Geschichten aus seiner Kindheit und ich ihr, was wir so gemeinsam erlebt hatten. Sie hat die erste Zeit bei mir geschlafen, weil wir beide nicht alleine bleiben wollten mit unserer Angst.
Ich hatte Angst davor, dass, wenn er jetzt sterben würde, ich ihn genauso vergessen könnte, wie meinen Vater zuvor. Ich habe (bis ich ein paar Monate später umziehen musste) nichts von seinen Sachen angerührt. Alles blieb so liegen, wie er es verlassen hatte. Ich hab´s wochenlang nicht mal geschafft, seinen Schlafanzug in die Waschmaschine zu packen.
Er hat das ganze schließlich überlebt - oder wenigstens ein Teil von ihm. Er ist ein anderer Mensch geworden. Das wirst Du nicht verstehen, wenn Du keine Ahnung von Hirnverletzungen hast. Aber das ist nicht so wichtig.
Wichtig ist, dass ich mich von dem verlorenen Teil seiner Person verabschieden musste.
Ich hab ihn noch. er sieht aus wie früher, riecht wie früher und fühlt sich an wie früher
aber er ist nicht mehr derselbe und wird es nie mehr werden.
Mir hat es beim Abschied geholfen, dass ich noch die Erinnerung an ihn habe. Es tut mir weh, sie immer mit dem "aktuellen" Menschen zu vergleichen, also vermeide ich das und nehm ihn jetzt so, wie er ist. Er braucht mich und hilft mir zugleich, an meine erinnerung "dranzukommen".
Und wenn ich mit seiner Mutter oder engen Freunden, die ihn früher kannten spreche, sprechen wir über Erinnerungen. Sie sind das Einzige, was übrigbleibt und deshalb muss man sie pflegen. Das Schlimmste ist ein "Gedächtnisloch" anstelle eines Menschen, dem man mal nahestand. es ist dann, als wäre die ganze gemeinsame Zeit, das heißt auch eigene Lebenszeit verschwunden.
Versucht gemeinsam, Deiner Schwiegermutter nahe zu sein, um ihr den Abschied zu erleichtern und erinnert Euch sich gemeinsam an die Vergangenheit. Die Erinnerung wird Euch jetzt leichter machen, sich ihr zuzuwenden, anstatt immer nur das Häufchen Elend in ihr zu sehen, das sie jetzt ist. Bedankt Euch bei ihr für gemeinsam Erlebtes, mit dem bisschen, was Ihr noch für sie tun könnt!
Hoffentlich hilt Ihnen das.
Herzliche Grüße.
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Enibas
Gast





BeitragVerfasst am: 18.09.04, 19:15    Titel: Re: Umgang mit dem Tod Antworten mit Zitat

Vielen Dank für Deine Erzählungen.

Ja Du hast Recht, ich werde natürlich weiterhin versuchen alles mir nur mögliche zu machen. Meine Schwiegermutter liegt 600 km von uns im Hospiz, sodaß wir mehr auf telefonische Auskünfte angewiesen sind und nicht jedes Wochenende bei ihr verbringen können.

Zum Glück gibt es da ja auch noch die Schwester meines Mannes, die dort in der Nähe wohnt und viel bei ihr sein kann. Wir haben uns vorerst mit 14tägige Besuche geeinigt.

Aber weißt Du, es sind die Bilder die mich nicht mehr los lassen, ich habe derzeit wieder keine Nacht Ruhe davor und schlafe nur noch heulend ein. Die letzten Erinnerungen meines Schwiegervaters und die meines Opas könnte ich immer noch im Detail genau beschreiben und sie kommen mir vor, wie gestern passiert.

Mich würde echt interessieren, ob ich da noch selbst "NORMAL" bin, oder ob es anderen eigentlich genauso geht wie mir und sie dieses aber irgendwie besser übertünchen können.

Der Tod gehört ja zum Leben dazu, soweit bin ich mittlerweile schon, aber begreifen kann ich den ehrlich gesagt immer noch nicht mit meinen 35 Jahren.

Danke jedoch nochmal für Deine Zeilen.
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Gast






BeitragVerfasst am: 18.09.04, 21:30    Titel: Re: Umgang mit dem Tod Antworten mit Zitat

Hallo, da bin ich nochmal.
Vielleicht warst Du einfach ganz schlecht "vorbereitet", als das mit Deinem Opa und dem Schwiegervater passiert ist und das bleibt Dir deshalb so fühlbar präsent. Dummerweise gehört der Tod nicht mehr zu unserem Alltag, wir reden nciht drüber und meistens findet er anonym und einsam in irgendwelchen Kliniken statt.
Ich hatte schon als Kind mehr oder weniger miterlebt, wie meine beiden Großeltern gestorben sind - obwohl unsere Eltern sich Mühe gegeben haben, uns davor irgendwie zu schützen. Das ging nicht ganz so einfach, weil alles in unserem Haus passiert ist. Mein Opa hatte Krebs uns hat zuletzt Morphium bekommen und sah ganz schlimm aus.
Aber meine Eltern haben versucht, mir zu erklären, was ich da sehe. Und obwohl bei uns damals alles aus anderen Gründen alles drunter und drüber ging und wir nicht über Erinnerungen sprechen konnten, habe ich ihn eher so in Erinnerung wie er war, als er noch der gute und gewitzte Opa war. Bei meiner Oma war´s wieder ganz anders. Sie hatte - das haben wir damals unterschätzt - ein Schädel-Hirn-Trauma in ihrer Jugend gehabt und hat ihm und uns das Leben zur Hölle gemacht, weil sie einfach überhaupt nicht und zu niemandem jemals nett sein konnte. ZUmindest hat niemadn von uns das je erlebt. Mein Vater auch nicht. Ihr Mann, also der besagte Opa, war trotzdem ein Leben lang bei ihr geblieben, was niemand von uns verstanden hat. Meine Eltern haben sie dann trotzdem gepflegt und alles war ziemlich furchtbar. Aber bei ihr war alles ganz anders, weil sie es schon vorher niemandem besonders leicht gemacht hat, sie lieb zu haben.
Was ich damit sagen will - wenn Du Deine Schwiegermutter magst, wird es (nach den Erfahrungen, die Du schon hast) nicht so schwer sein, in ihr jetzt auch den Menschen zu erkennen, den Du magst und der jetzt Deine HIlfe braucht. Und warum steckst Du Dir nicht ein paar BIlder von früher ein, die Du anschauen kannst, wenn Du`s nötig hast?
Ach so.Noch was. Wenn ich nicht schlafen konnte, weil mir nicht aus dem Kopf gegangen ist, wie ich meinen Allerliebsten auf der ITS gesehen habe, bin ich noch `ne Runde spazieren gegangen. Dahin, wo wir oft gemeinsam waren. Der nächste Tipp ist nicht so gut, war aber `ne Notmaßnahme. Ich habe mich mit `nem Bier vor den Fernseher geknallt und mir die blödesten Nacht-talkshows reingezogen bis ich irgendwann darüber eingeschlafen bin. Ich vertrage keinen Alkohol und deshalb ging das ziemlich gut. Wenigstens für ein paar Stunden. Ich hatte ein paar gute Freunde, die sind ab und an mit mir weggegangen, wenn`s ganz schlimm war. Dann musste ich nicht reden und kam mal auf andere Gedanken. Versuch, Dich abzulenken. Du brauchst Deine Kraft für die Besuche und die Zeit "danach". Das ist auch kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Wir haben alle nur beschränkte Ressourcen, ok?
Ich wünsch euch allen viel Kraft!
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Gast






BeitragVerfasst am: 20.09.04, 15:34    Titel: Re: Umgang mit dem Tod Antworten mit Zitat

Zu MIR: ich leide seit langem, wahrscheinlich an einem Trauma aus der Kindheit.

Ich kenne das auch was du hier beschrieben hast. Mein Vater hatte Krebs und ist elendig kaputtgegangen. Etwa 8 Wochen vor seinem Tod konnte ich nicht mehr ins KH gehen, das war mir zuviel. Da lag einer den ich nicht kannte, total "abwesend", mit Schmezmitteln vollgedröhnt. Nichts nahm er wahr. Ich fragte mich was soll ich da eigentlich?. Für mich war er schon tot. Ob ich das verarbeiten konnte weis ich nicht, vielleicht verdrängt oder so.


cu harald
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