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Finger weg von VIoxx!

 
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QED
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BeitragVerfasst am: 11.10.04, 09:50    Titel: Finger weg von VIoxx! Antworten mit Zitat

In diesem Forum wurde schon öfter über den COX2-Hemmer Vioxx zur Schmerzbehandlung starker Schmerzen im Zusammenhang mit CP berichtet:ES gelten zur Zeit folgende Bedenken:

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10. Oktober 2004 Die Börsianer erfuhren es wie stets früher als Ärzte und Patienten. "Verkaufen" lautete die Empfehlung der Analysten für die Aktien von Merck, Sharp & Dohme, kurz MSD, als am 30. September gegen Mittag die größte freiwillige Rückrufaktion in der Geschichte der Medizin begann.

Patienten, Ärzte und Behörden dagegen hatten es schwerer zu erfahren, warum das beliebte Schmerzmedikament Vioxx plötzlich vom Markt verschwunden war. Im Bundesinstitut für Arzneimittel in Bonn war aus aktienrechtlichen Gründen morgens nur ein Hinweis angekommen, daß gegen Mittag eine wichtige Warnmeldung der Firma zu erwarten sei. Nach der Investorenkonferenz schrillten dann überall die Telefone in den deutschen Arztpraxen.

Plötzlich galt es, weltweit zwei Millionen verunsicherter Patienten zu informieren und mit ihnen zu beraten, welche der alternativen Wirkstoffe sie nun statt Vioxx gegen ihren oft unerträglichen Schmerz einnehmen sollten.

Angepriesen als „Superaspirin”

Denn Vioxx war als "Superaspirin" gegen Gelenkschmerzen bei Rheuma angepriesen worden, weil es, anders als die klassischen Schmerzmittel Aspirin, Diclofenac oder Ibuprofen, seltener zu schweren Magenblutungen führt. In den Vereinigten Staaten gab der Konzern MSD schon mal 100 Millionen Dollar pro Jahr für Fernsehwerbung aus, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Vioxx-Tabletten seien als Schmerzmittel auch in Deutschland von einigen Ärzten "wie Lutschbonbons" verschrieben worden, empört sich Bruno Müller-Oerlinghausen von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: "Genau das war schon immer falsch und gefährlich." Die Arzneimittelkommission habe im Deutschen Ärzteblatt regelmäßig Warnungen veröffentlicht, die aber von den Ärzten im "Marketingnebel oft überhört wurden". Ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte werde in Fachkreisen seit Jahren intensiv diskutiert.

Weltweiter Rückruf

Der mögliche Schaden für Herz und Kreislauf war am Ende dann der Grund für den weltweiten Rückruf von Vioxx. In einer klinischen Studie an 2600 Patienten, vom Hersteller "APPROVe" getauft, war Vioxx langfristig als Mittel zur Prävention von Darmpolypen erprobt worden. Ziel war es also, ein neues Anwendungsfeld für das Mittel zu erschließen. Nach drei Jahren Einnahme von 25 Milligramm Vioxx täglich zeigte die Routineüberwachung der Daten aber, daß 45 der behandelten Patienten "schwere thrombotische Ereignisse" erlitten hatten - in der Kontrollgruppe waren es nur 25.

Damit liegt erstmals ein handfester Hinweis für ein auf das Doppelte erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko vor. Wenn 400 Patienten ein Jahr lang Vioxx einnehmen, müßten laut Informationen der britischen Arzneimittelbehörde sechs statt drei mit einer schweren Thrombose rechnen. Allerdings sei dieser Effekt in der Studie erst nach einer mehr als achtzehnmonatigen Behandlungsdauer nachweisbar gewesen.

Flut von Sammelklagen

Die Firma MSD entschied sich nach Erhalt dieser Daten zum sofortigen Rückzug - möglicherweise auch wegen des strengen amerikanischen Haftungsrechts. Tatsächlich schalteten Opferanwälte in den Vereinigten Staaten sofort Websites frei, um die Firma Merck mit einer nie gesehenen Flut von Sammelklagen zu überziehen.

Feuer ins Öl der hitzigen Debatte gießt nun der renommierte US-Kardiologe Eric Topol im New England Journal of Medicine. Hätten die Firma MSD und die US-Arzneimittelbehörde FDA den vielen "Warnsignalen entlang des Weges mehr Aufmerksamkeit geschenkt", schreibt der Mediziner der Cleveland-Klinik, hätte ein "solches Debakel vermieden werden können". Topol will aus den Daten der APPROVe-Studie sogar den potentiellen Gesamtschaden der Anwendung von Vioxx seit 1999 errechnet haben. Seinen Zahlen zufolge könnten bei zehn Millionen mit Vioxx behandelten Patienten "einige zehntausend" einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben. Diese Annahme wird von Merck vehement zurückgewiesen, eine solche Hochrechnung aufgrund einer einzigen Studie sei unzulässig.

Von den Ergebnissen „nicht überrascht”

Erste Hinweise auf Störungen der Blutgerinnung erkannten Wissenschaftler tatsächlich schon kurz nach der Markteinführung der ersten beiden Superaspirine. "Die experimentelle Pharmakologie hat das Herz-Kreislauf-Risiko schon vor Jahren postuliert", sagt Kay Brune von der Universität Erlangen. Er sei von den Ergebnissen "nicht wirklich überrascht".

Nicht nur für den klinischen Pharmakologen stellt sich nun eher die Frage, ob es sich bei dem erhöhten Risiko um ein Problem von Vioxx allein handelt oder ob dahinter bisher unterschätzte Risiken der ganzen Wirkstoffklasse lauern. Das ist die Milliarden-Dollar- Frage. Denn neben Vioxx gibt es eine ganze Reihe sogenannter Coxibe, die alle einen ähnlichen Wirkmechanismus haben.

"Der Theorie und den Ergebnissen der experimentellen Pharmakologie nach sollte es für alle Coxibe zutreffen", vermutet Brune, wobei er ausdrücklich betont, daß das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse "natürlich nicht unbedingt alle Wirkstoffe gleich stark treffen" müsse. Die traditionellen Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac wirken zwar ebenso gut gegen Schmerzen wie Vioxx & Co, haben aber den klaren Nachteil, daß sie bei Risikopatienten die Magenschleimhaut angreifen und zu Magengeschwüren und mitunter tödlichen Blutungen führen können. Der Grund ist, daß sie ein Cox-1 genanntes Enzym in der Magenwand hemmen. Es schützt diese normalerweise vor der ätzenden Magensäure.

Die neuen Coxibe-Hemmstoffe entstanden, als Forscher erkannten, daß es im Körper ein zweites, das sogenannte Cox-2-Enzym gibt. Es wird nach Entzündungsreaktionen vermehrt im Körper gebildet. Pharmafirmen entwickelten daraufhin selektive Hemmstoffe, die nur die Aktivität der Cox-2-Enzyme bremsen, nicht aber Cox-1. Weil alte Schmerzmittel wie Ibuprofen beide Enzyme blockierten, lindern sie zwar den Schmerz, lassen den Magen mitunter aber buchstäblich bluten. Den Magen zu schonen war jene Eigenschaft, die den besonderen Ruf der neuen Schmerzmittel begründete.

Gegenspieler der Blutgerinnung

Leider hat sie einen Haken. Denn längst wissen Pharmakologen, daß Cox-1 auch außerhalb des Magens eine wichtige Rolle spielt. So wirken beide Enzyme in den Blutgefäßen wie Gegenspieler bei der Blutgerinnung. Gerät ihr Zusammenspiel aus der Balance, kann die Neigung zur Thrombosebildung steigen. Je selektiver die neuen "Superaspirine" Cox-2 in den Blutgefäßen blockieren, desto mehr könnte sich dort das Mikromilieu zugunsten von Cox-1-Wirkungen verschieben. In Tierversuchen stellte sich heraus, daß es unter Gabe von Coxiben - nicht aber bei den alten Schmerzmitteln - zu Gefäßverengungen und Blutplättchenverklumpungen kommen kann. Je mehr Risikofaktoren ein Patient im Herz-Kreislauf-System zeige, desto wahrscheinlicher sei es, daß bei den Coxiben dieser Mechanismus den Blutdruck erhöhe, das Arteriosklerose-Risiko steigere und am Ende eventuell die Gefahr lebensbedrohlicher Blutgerinnsel herbeiführe.

Das glaubt zumindest Garret FitzGerald von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia seit einigen Jahren. In einem aktuellen Bericht für das New England Journal of Medicine fordert er nach dem Ende von Vioxx nun, die "Beweislast für alle Coxibe umzukehren". Es müßten nun langfristige und aussagekräftige Sicherheitsstudien verlangt werden. Sie allein könnten die begründete Vermutung nach kardiovaskulären Risiken entkräften. Eric Topol hatte genau solche Studien bei Risikopatienten schon 2001 vergeblich gefordert.

Zweifelhafte Werbung

Ob die auf dem Markt verbliebenen Substanzen ein Risiko für das Blutgerinnungssystem darstellen oder nicht, bleibt vorerst unklar. Der weltweit größte Pharmakonzern Pfizer, der mit Celebrex den Pionier der Coxibe auf den Markt brachte, warb schon Stunden nach dem Rückruf von Vioxx damit, daß sich für Celebrex in bisher allen Studien bei Schmerzpatienten mit Rheuma kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen gezeigt habe. Allerdings waren ältere Patienten mit Risikofaktoren für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in den bisherigen Studien kaum vertreten. In derzeit laufenden Langzeitstudien zur Prävention von Darmpolypen sowie bei Patienten mit Alzheimer heißt es bei Pfizer, sei zudem ebenfalls "kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko" erkennbar. Und das, obwohl einige Patienten inzwischen schon länger als drei Jahre mit Celebrex behandelt würden. Nachprüfen lassen sich solche Äußerungen naturgemäß erst in dem Moment, in dem erste Ergebnisse dieser Studien in Fachzeitschriften erscheinen würden.

Auch die Firma Novartis präsentierte kürzlich Daten ihres neuen Wirkstoffs, der Cox-2 besonders selektiv hemmen soll. Die Tablette mit Namen Prexige befindet sich derzeit in den Vereinigten Staaten und Europa im Zulassungsverfahren. In der sogenannten Target-Studie an 18325 Patienten habe sich nicht nur eine eindeutige Verringerung der Zahl schwerer Magenblutungen gezeigt, so die Firma in einer Pressemitteilung vom August, sondern auch "keine signifikante Steigerung kardiovaskulärer Ereignisse". Garret FitzGerald dagegen gibt zu bedenken, daß in der Gruppe der mit Prexige behandelten Patienten, die kein Aspirin zur Blutverdünnung einnahmen, immerhin 14 Patienten an Herz- und Gefäßleiden erkrankten. In der Placebogruppe waren es nur neun gewesen.

MSD wieder am Start

Von der deutschen Öffentlichkeit bisher unbemerkt, steht auch MSD bereits wieder am Start. Während die US-Arzneimittelbehörde noch mit der Zulassung zögert, pries eine Pressemitteilung kürzlich das soeben in Deutschland zugelassene Antirheumatikum Arcoxia mit den Worten, der neue Cox-2-Hemmer könne den "Gelenkschmerz schnell wirksam und anhaltend lindern". In "puncto Sicherheit", steht dort knapp, erfülle Etoricoxib, der Wirkstoff des Mittels, die "Erwartungen, die heute an ein modernes Antirheumatikum" gestellt würden.

Was allerdings das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen angeht, gebe es auch bei Arcoxia sicher noch "nicht genügend Erfahrungen, um Entwarnung zu geben". Das glaubt der Pharmakologe Dirk Stichtenoth von der Medizinischen Hochschule Hannover, der mehrere Übersichtsartikel über die neueste Generation der Coxiben veröffentlicht hat. Hauptkennzeichen dieser neuartigen Wirkstoffe sei, daß sie das Cox-2- Enzym weit selektiver hemmten als Vioxx & Co. "Vorsicht" sei daher auch bei den neuen Wirkstoffen das Gebot der Stunde, auf jeden Fall bei Rheumapatienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren - oder wenn das Schmerzmittel länger eingenommen werden muß.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.10.2004, Nr. 41 / Seite 69
Bildmaterial: AP
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