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durchgangssyndrom

 
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slee
noch neu hier


Anmeldungsdatum: 21.09.2005
Beiträge: 3

BeitragVerfasst am: 05.10.05, 20:32    Titel: durchgangssyndrom Antworten mit Zitat

Guten Abend!

Vielen Dank erstmal für die Antworten zu meinen anderen beiden Themen, es geht natürlich auch dieses Mal wieder um meine Mutter, nur jetzt sind wir schon einen Schritt weiter und ich noch ein bisschen ratloser...
Meine Mutter wurde letzten Freitag nach 16 Tagen künstl Koma aufgeweckt (sie hatte bzw hat eine beidseitige Lungenentzündung und einen Lupus Erythematodes). Das Aufwachen lief erstaunlich gut, der Blutdruck, Puls und die O2-Sättigung sind seitdem sehr gut und stabil.
Was mir allerdings Sorgen macht ist, dass sie überhaupt nicht sprechen konnte bis gestern, heute konnte man ein paar Wörter erahnen, aber richtig zu verstehen ist sie noch nicht.Sie kann auch nicht schlucken, deswegen wird sie immer noch per Nasensnonde künstl ernährt. Sie war auch vor dem Koma schon sehr geschwächt, konnte sich nicht mehr selbständig umdrehen bzw aufsetzen und die Stimme war auch sehr schwach. Nun kommt hinzu, dass sie seit letzten Freitag eben nur den Kopf und die Augen bewegen kann, sonst nichts! Sie spürt zwar (sagt sie..) wenn man sie an den Armen oder Füssen anfasst, aber sie schafft es absolut nicht, sie zu bewegen! Der Arzt meinte, das käme schon mal vor, wenn jemand so lange im künstl Koma gelegen hätte und die Krankheit auch so kritisch sei. Da aber die Ärzte immer sehr im Stress scheinen und auch nicht allzu viel preisgeben, weiss ich jetzt leider nicht, ob sich das wieder gibt oder ob wir damit rechnen müssen, dass sie gelähmt bleibt. (Gestern hat allerdings ihr linker Fuss 2x gezuckt, allerdings war das wohl eher ein Reflex und nicht von ihr ausgelöst). Desweiteren macht sie oftmals einen sehr wachen und aufmerksamen Eindruck, kann mit nicken oder kopfschütteln sinngemäss antworten, sprich sie scheint schon zu begreifen, was wir ihr erzählen. Seit gestern allerdings ist sie sehr aggressiv, hat uns gestern angeschrien (das konnte man dann auch verstehen..), wir sollen ihr nicht immer was von Geduld haben erzählen und heute hat sie geredet wie ein Buch (allerdings war eben nicht alles zu verstehen), aber sie meinte alles sei so schrecklich im Krankenhaus, die Pfleger und Ärzte seien so böse zu ihr, sie wolle nachhause, schliesslich sei sie ja gar nicht krank, ich soll sie jetzt sofort hinsetzen, damit sie heim gehen kann usw... Sie hat so viele Sachen erzählt, die nicht wahr sein können, sprich ordentlich fantasiert.
Ist das alles normal für Patienten nach einem künstl Koma? Aggression, Halluzination, Alpträume, die dann nicht mehr von der Realität unterschieden werden können, die Unfähigkeit sich zu bewegen, der nicht vorhandene Schluckreflex und der nicht auslösbare Würgereiz, die Unfähigkeit zu sprechen, etc ?
Meine Mutter war bis vor kurzem noch ein so fitter, agiler Mensch, es macht mir Angst sie so verändert zu sehen, ausserdem weiss ich nicht, was ich zu ihr sagen soll, wenn sie wieder so fantasiert... Soll man so tun als ob man es glaubt, oder ihr sagen, dass sie gerade fantasiert? Ich bin keine Psychologin und will auch nichts falsch machen, wenn ich sie besuche (bin jeden Tag 2 std bei ihr, danach mein vater 2 std). Ich stelle aber fest, dass ich langsam an meine Grenzen stosse und einfach jmd brauche, der mir auch mal richtig erklärt was mit Mama gerade geschieht...
Sorry, ist es sehr langer Beitrag geworden, aber ich musste mir das alles mal von der Seele schreiben, bin auch noch schwanger (zum ersten Mal..) und offensichtlich nicht mehr so belastbar wie früher...
Vielen Dank jetzt schon fürs Durchlesen und eine evtl Antwort von Experten oder Leidensgenossen!
Sabine
_________________
sabine
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Gunnar Piltz
DMF-Moderator


Anmeldungsdatum: 17.09.2004
Beiträge: 1766
Wohnort: Schleswig-Holstein

BeitragVerfasst am: 07.10.05, 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Sabine !!!

Geben Sie Ihrer Mutter nach dieser langen "Narkose" noch ein wenig Zeit, sich sowohl körperlich als auch geistig zu sortieren. Eine so lange Intensivbehandlung ist schon ein ordentliches Trauma für den Menschen. Das Bewusstsein wurde für mehrere Wochen medikamentös ausgeschaltet, sie wurde künstlich ernährt und künstlich beatmet, der Kreislauf womöglich durch hochpotente Medikamente aufrechterhalten. Das Fieber und der Bewegungsmangel haben in dieser Zeit ordentlich Kräfte abgebaut. Aus diesem Trauma erholen sich Patienten nur sehr unterschiedlich und so braucht es eben eine gewisse Zeit, bis auch die Körperfunktionen wieder hergestellt sind.
slee hat folgendes geschrieben::
Ist das alles normal für Patienten nach einem künstl Koma? Aggression, Halluzination, Alpträume, die dann nicht mehr von der Realität unterschieden werden können, die Unfähigkeit sich zu bewegen, der nicht vorhandene Schluckreflex und der nicht auslösbare Würgereiz, die Unfähigkeit zu sprechen, etc ?

Diese und ähnliche Zustände beobachtet man bei Patienten nach einer Langzeitbeatmung häufiger mal. Die hier beschriebene Situation wird unter dem Begriff "Durchgangssyndrom" zusammengefasst. Dabei handelt es sich um eine akute Form der Psychose, die sich nach einer gewissen Zeit (meist Tage/Wochen) von allein wieder zurückbildet und in unterschiedlichem Maße ausgeprägt vorkommen kann. Das Durchgangsyndrom beinhaltet eine Verlangsamung aller psychischer Funktionen, Gedächtnis- und Denkstörungen, Halluzinationen die sich häufig in Aggressionen oder Angstzuständen zeigen können und motorischen Ausfällen aller Art.
Natürlich müssen in diesem Zusammenhang auch organische Ursachen dieser Störungen ausgeschlossen werden. So kann z.B. der fehlende Schluckreflex oder die fehlende Sprache ein Hinweis auf einen Schaden oder eine Störung im Bereich des Kehlkopfes sein. Dies werden die Ärzte vor Ort aber sicherlich durch einen HNO-Arzt ausschließen können. Auch gehört bei einem schweren Durchgangssyndrom die konsillarische Betreuung durch einen Psychiater/Neurologen dazu.

slee hat folgendes geschrieben::
Meine Mutter war bis vor kurzem noch ein so fitter, agiler Mensch, es macht mir Angst sie so verändert zu sehen, ausserdem weiss ich nicht, was ich zu ihr sagen soll, wenn sie wieder so fantasiert... Soll man so tun als ob man es glaubt, oder ihr sagen, dass sie gerade fantasiert?

Das Ihnen diese Situation Angst macht und man als Angehöriger oft hilflos an dem Bett steht, lässt sich ganz klar nachvollziehen. Der Umgang mit den Patienten in diesem Zustand ist für alle Beteiligten sehr schwierig und Patentrezepte gibt es leider nicht. Nehmen Sie sich diesen Zustand und vor allem auch Bemerkungen, die Sie ganz persönlich betreffen könnten, nicht ganz so doll zu Herzen. Im Durchgangssyndrom erleben die Patienten sehr häufig ganz banale Dinge als sehr bedrohlich und können so vieles mangels Orientierung nicht zuordnen. Die Aggressionen sind für den Patienten dann häufig der Weg, sich Luft und Recht in dieser (als ausweglose Lage wahrgenommenen) Situation zu verschaffen. Hier hilft nur ein liebevoller Umgang und Zuspruch, eine ehrliche aber deeskalierende Art und gelegentlich auch nur der Abbruch des Besuches.
slee hat folgendes geschrieben::
... Ich stelle aber fest, dass ich langsam an meine Grenzen stosse und einfach jmd brauche, der mir auch mal richtig erklärt was mit Mama gerade geschieht...

... Da aber die Ärzte immer sehr im Stress scheinen und auch nicht allzu viel preisgeben, weiss ich jetzt leider nicht, ob ...

Sie haben als direkte Angehörige ein Anrecht auf ausreichende Informationen und so muss es doch im Verlauf einer wochenlangen Behandlung möglich sein, dass Sie sich in einem angemessenen Zeitrahmen mal ausgiebig über den Zustand Ihrer Mutter und über den weiteren Behandlungsablauf informieren. Dazu sollten Sie vielleicht mal mit dem zuständigen Oberarzt der Intensivstation einen Termin außerhalb der Besuchszeiten vereinbaren.
slee hat folgendes geschrieben::
...bin auch noch schwanger (zum ersten Mal..) und offensichtlich nicht mehr so belastbar wie früher...

In Anbetracht Ihres Zustandes und der durchaus verständlichen Belastung durch die momentan schwierigen Besuche bei Ihrer Mutter, sollten Sie vielleicht Ihre Besuchszeiten in der Familie abstimmen und für sich ein wenig kürzer treten.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Mutter alles erdenklich Gute, viel Kraft für diese schwere Zeit und vor allem Ihrer Mutter eine baldige Besserung in ihrem Zustand!

Herzliche Grüße
_________________
Gunnar Piltz
DMF-Moderator
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