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Ernährung - Nahrungsverweigerung... Warum?

 
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Bettina
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Anmeldungsdatum: 08.11.2004
Beiträge: 128
Wohnort: Bayern

BeitragVerfasst am: 18.03.05, 07:58    Titel: Ernährung - Nahrungsverweigerung... Warum? Antworten mit Zitat

Hallo @ all,

ich arbeite auf einer geriatrischen Reha und wir stoßen immer wieder auf das Problem der "Nahrungsverweigerung" bei unseren geriatrischen Patienten. Es ist nicht so, dass die Menschen dement sind und deshalb vielleicht einfach das Essen vergessen... nein, es sind Menschen, die mir ganz deutlich sagen:" Ich will nichts essen, es schmeckt nicht mehr"... oder "Ich kann nichts essen, ich habe so ein Klosgefühl im Hals"... Von der Flüssigkeitsaufnahme ganz zu schweigen.

Wenn sich dann "organisch" keine Probleme finden lassen, sondern wirklich der Patient ganz bewusst sagt: "Ich esse nichts mehr" bzw. "Ich esse nicht mehr, als eine 'Spatzenportion'" und die Ärzte dann als Lösung eine PEG-Sonde vorschlagen.

Bedeutet eine PEG in diesem Fall "überstülpen" von Pflege bzw. auch ein "überstülpen" von Leben, dass der Patient vielleicht überhaupt nicht mehr will?

Ist es vielleicht so, dass ich durch die PEG und die vermehrten Kalorien und die vermehrte Flüssigkeit ein Angebot mache, die Situation zu verändern und der Patient vielleicht durch die veränderte Situation doch wieder "Leben" will und wieder anfängt zu essen und zu trinken?

Was ist mein Ziel? Autonomie und Verantwortung... im Sinne von... "du willst nichts essen, also musst du nichts essen"...

Oder ist mein Ziel... Sicherheit und Vertrauen ... im Sinne von... "Vertrau mir, ich gebe dir die Sicherheit durch die PEG, dass du nicht verhungern/verdursten musst... dadurch wird sich deine Situation ändern"...

Wobei ich mich schon wieder dabei erwische, zu fragen, was MEIN Ziel ist... sollte es nicht vielmehr heißen, was ist das Ziel des Patienten?... bin momentan etwas ratlos...
Vielleicht, was ist UNSER Ziel?... ab wann muss ich die Verantwortung für das Leben des anderen übernehmen?... muss ich es überhaupt?...

Liebe Grüße

Bettina
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Annette Koch
DMF-Moderator


Anmeldungsdatum: 29.09.2004
Beiträge: 994
Wohnort: Hannover

BeitragVerfasst am: 18.03.05, 16:54    Titel: Nahrungsverweigerung, warum?? Antworten mit Zitat

Liebe Bettina!



Während meiner damaligen Anerkennungszeit hatte ich mir ein Thema zur Aufgabe gemacht: ich hatte die alten Menschen 1/2 Jahr beobachtet und in einigen Fällen herausgefunden warum nur wenig Nahrungsaufnahme stattfindet.....

-Prothese:

> in manchen Fällen hatte sich der Kiefer verändert und die Prothese war unpassend,
natürlich war eine Menge Sensibilität nötig um dieser Sache auf den Grund zu gehen,
manche schämten sich einfach dafür wie sie mir hinterher berichteten!

>erzeugte Druckstellen die die Nahrungsaufnahme erschwerten

-Das Auge ißt mit:

>in vielen Fällen wird der Teller einfach lieblos serviert, die Portionen werden einfach "draufgeklatscht" im wahrsten Sinne des Wortes!

>Viele bekamen passierte Kost obwohl sie viel lieber "normales" Essen hätten und sie in der Lage waren dies auch zu kauen, oder sie konnten das Fleisch usw. schlecht kauen und aßen deshalb weniger!

>Manche waren einfach keine "Fleischesser", sie äußerten sich dahingehen sie hätten wohl lieber Süßspeisen

>In Kenntnisnahme von Lieblingsgerichten, wurde bei jeder Biographie notiert

>die Atmosphäre in der die Nahrungsaufnahme stattfindet? Ist es hektisch im Speisesaal, würde der eine lieber mit dem anderen zusammensitzen, es wurde eine Wunschliste erstellt, die Sitzordnung wurde verändert, es kamen Gespräche zustande und in guter Gesellschaft mundet es sowieso besser, läuft im Hintergrund Musik, wie ist der Speisesaal dekoriert?

-in sozialer Hinsicht

>Wann hatten diese Mensch das letzte Mal Besuch?
Beispiel: Eine 103 jährige aß wie sie sagten wie ein Spatz, ihre Tochter kam regelmäßig und sofort änderten sich auch die Eßgewohnheiten!

>Wie werden diese Menschen von Mitbewohnern aufgenommen bzw. angenommen, manche haben eben nicht sehr "feine Tischmanieren", kleckern usw. und schämen sich dafür, essen deshalb weniger!

>Jeder hat so seine(n) Lieblingspfleger! So aß er bei der Einen Pflegeperson immer mehr als bei der Anderen!

<Manche haben erhebliche Sorgen mit Angehörigen, Pflegern usw., einfach nur mal zuhören!

-Essenszeiten:

> Wann wird Frühstück serviert, wieviel Zeit bleibt zwischen den einzelnen Mahlzeiten?

>Manchmal ist es nicht ungewöhnlich, dass mal eine Mahlzeit ausfällt, sollte man akzeptieren, bei der nächsten wird aufgeholt.


-Verdauungsprobleme:

>Probleme mit Blähungen, fragen sie danach wie die Mahlzeit vertragen wird!

>Manche fühlen sich nicht mehr imstande selbständig auf Toilette zu gehen, wollen das Pflegepersonal nicht belasten, oder schämen sich dafür, essen und Trinken deshalb weniger!!

>Hat dieser Mensch regelmäßig Stuhlgang??Beobachtung des StuhlverhalteNS


Es gibt aber auch alten Menschen die entscheiden für sich, wann, ob und wieviel sie zu sich nehmen!!! Soweit sie bei klarem Menschenverstand sind sollte man dies akzeptieren!

Bei Schluckstörungen ect. sollte man darüber nachdenken eine PEG zu legen, aber kann denn rechtlich eine PEG gelegt werden wenn diese Menschen noch in der Entscheidungsgewalt stehen und dies verneinen??? Kann ich mir nun nicht vorstellen, außer die Betreuer entscheiden dies für ihre Angehörigen, Schutzbedürftigen und hier sollten sie den mutmaßlichen Willen des Betroffenen miteinbeziehen!!

Wir als Pfleger können nicht die Entscheidung zum Leben Treffen, jeder entscheidet für sich alleine! Wir können nur unterstützend bzw. aktivierend wirken!

Ihr Ziel ist es jeden Menschen entsprechend seiner Individualität zu pflegen!!! Und nehmen sie nicht alles auf sich, unterstützen sie wo sie können aber nehmen sie nicht alles auf sich, sonst verlieren sie bald die Kraft zu pflegen!!


Liebe Grüße

corectly
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Bettina
DMF-Mitglied
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Anmeldungsdatum: 08.11.2004
Beiträge: 128
Wohnort: Bayern

BeitragVerfasst am: 18.03.05, 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

Liebe Corectly,

danke für die ausführliche Antwort.

Es gibt aber auch alten Menschen die entscheiden für sich, wann, ob und wieviel sie zu sich nehmen!!! Soweit sie bei klarem Menschenverstand sind sollte man dies akzeptieren

Ich habe im Rahmen einer Praxisaufgabe einen älteren Herren gepflegt, der bei klarm Menschenverstand war... er hat mir ganz eindeutig gesagt, er wird nichts mehr essen und auch nichts mehr trinken. Er hatte organisch keine Probleme... Er konnte schlucken, der Transport war nicht gestört und er hatte auch kein Problem mit seinen Ausscheidungen d.h. er hatte regelmäßig Stuhlgang. Wir sind fast verzweifelt... aber er hat nichts gegessen... seine Frau war da beim Essen, wir waren da... es half nichts. Geendet hat es damit, dass der Herr eine PEG Sonde bekam. Ich weiß bis heute noch nicht, ob das richtig war... er hat dann irgendwann resigniert und uns machen lassen.

Bei Schluckstörungen ect. sollte man darüber nachdenken eine PEG zu legen, aber kann denn rechtlich eine PEG gelegt werden wenn diese Menschen noch in der Entscheidungsgewalt stehen und dies verneinen??? Kann ich mir nun nicht vorstellen, außer die Betreuer entscheiden dies für ihre Angehörigen, Schutzbedürftigen und hier sollten sie den mutmaßlichen Willen des Betroffenen miteinbeziehen!!


Ich arbeite in einer kleinen Feld-Wald- und Wiesenklinik auf dem Land und da zählt der Herr Doktor noch etwas... niemand von unseren älteren Herrschaften würde dem Halbgott in Weiß dagegen reden. Wenn der Herr Doktor sagt, der Patient braucht eine PEG, dann wird das schon so sein... und wenn der Herr Doktor sagt, der Patient soll aus dem Fenster springen, dann hat das auch seine Richtigkeit... denn Doktor, Pastor und Leher sind schließlich Persönlichkeiten, denen man gehorchen muss.
Wenn der Herr Doktor sagt, der Patient muss essen, sagt er artig "ja" nur wenn dann die Schwester mit dem Essen hereinkommt, dann ist das alles wieder vergessen.

Wir als Pfleger können nicht die Entscheidung zum Leben Treffen, jeder entscheidet für sich alleine! Wir können nur unterstützend bzw. aktivierend wirken!

Ihr Ziel ist es jeden Menschen entsprechend seiner Individualität zu pflegen!!! Und nehmen sie nicht alles auf sich, unterstützen sie wo sie können aber nehmen sie nicht alles auf sich, sonst verlieren sie bald die Kraft zu pflegen!!



Das klingt sehr gut, aber oft zweifle ich daran, dass das wirklich passiert.. was ist individuelle Pflege, wie sieht sie aus... oftmals wird den Patienten oder Bewohnern Pflege übergestülpt und damit hat es sich... das ist oftmals die Realität, die ich erlebe...

Liebe Grüße und nochmal Dankeschön

Bettina
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FKP-Watcher
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Anmeldungsdatum: 05.11.2004
Beiträge: 57

BeitragVerfasst am: 25.03.05, 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Bettina,
vieleicht hätte es Sinn gemacht dem älteren Herrn die Konsequenzen seiner Nahrungsverweigerung klar zu machen und zu thematisieren dass dieses Verhalten auf den baldigen Tod hinausläuft...
Möglicherweise hätte er dir gesagt dass eben dies der Zweck seines Verhaltens sei.
In diesem Fall wäre das eine eindeutige Willensbekundung gewesen mit der man sich hätte auseinandersetzen müssen(Selbstverständlich erst NACHDEM man mögliche Hintergründe bzw. Probleme die correctly hier so schön beschrieben hat ausschliessen konnte).
Selbst Gefängniss Insassen wird das Recht auf Nahrungsverweigerung zugestanden und wenn ich mich recht entsinne gab`s da auch schon den ein oder anderen Todesfall. Abgesehen davon hätte dein Patient ja weiterhin ständig die Möglichkeit gehabt wieder mit der Nahrungsaufnahme zu beginnen. Hätte er es nicht getan...dann hätte man dies tolerieren sollen.
Ihm einfach und entgegen seinem ausdrücklichen Willen eine PEG auf zu zwingen halte ich für falsch. Da er andererseits seinen Willen nicht auch gegenüber dem Arzt deutlich kundgetan hat, spricht meines Erachtens für die Problematik von Patientenverfügungen.
Wir ändern unseren "Willen" so oft und nicht selten um 180°, dass eine dauerhafte Festschreibung eines "Willens" meiner Meinung nach kaum möglich ist.
Wenn ein geistig gesunder Mensch voll Entscheidungsfähig ist, sollte man ihm mMn immer seinen Willen lassen. Will er aufhören zu essen, dann hört er eben auf. Aber das Angebot von unserer Seite darf halt nicht aufhören. Will er wieder essen, dann bekommt er eben wieder welches.
Wenn ich eines Tages entscheiden sollte nicht mehr essen zu wollen und dabei in die Nähe des Todes gerate, dann darf das jeder als wohlüberlegt Handlung verstehen denn der Hunger fragt mich deutlich öfter nach meinem Willen als irgendein Arzt.

Watcher
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Bettina
DMF-Mitglied
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Anmeldungsdatum: 08.11.2004
Beiträge: 128
Wohnort: Bayern

BeitragVerfasst am: 25.03.05, 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Watcher,

der ältere Herr hat nicht gegen seinen Willen die PEG bekommen, er hat zugestimmt, als er gemerkt hat, Vertrocknen tut unheimich weh... ihm körperlich und seiner Frau und mir seelisch. Er hat SEIN (von ihm formuliertes) Ziel inzwischen auch erreicht... nämlich nach Hause können und dort in Frieden sterben dürfen...

Wenn ein geistig gesunder Mensch voll Entscheidungsfähig ist, sollte man ihm mMn immer seinen Willen lassen. Will er aufhören zu essen, dann hört er eben auf. Aber das Angebot von unserer Seite darf halt nicht aufhören. Will er wieder essen, dann bekommt er eben wieder welches.
Wenn ich eines Tages entscheiden sollte nicht mehr essen zu wollen und dabei in die Nähe des Todes gerate, dann darf das jeder als wohlüberlegt Handlung verstehen denn der Hunger fragt mich deutlich öfter nach meinem Willen als irgendein Arzt.


Wie erklärst du das Kollegen und Angehörigen?

Nehmen deine Kollegen und Angehörigen das an?

Weißt du, manchmal weiß ich vor lauter Fragen nicht mehr, was richtig und was falsch ist... was ist basal, was ist nicht mehr basal, bin ich basal oder nicht?...

Ich denke jede Situation wirft wieder neue Fragen auf... und durch die Fragen und Antworten lebt auch ein stückweit unser Konzept... Wir entwickeln es weiter durch unsere Fragen und die Antworten, die wir von unseren Patienten bekommen, abei ist jeder Mensch, dem wir begegnen so individuell, dass die Fragen nie aufhören... aber auch die Antworten nicht...

Liebe Ostergrüße von

Bettina
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FKP-Watcher
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Anmeldungsdatum: 05.11.2004
Beiträge: 57

BeitragVerfasst am: 25.03.05, 14:28    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Bettina,
dann ist es doch sehr gut gelaufen. Dein Patient hat seine Entscheidung getroffen, probiert neu überdacht und am Ende sein Ziel erreicht. Prima.
Als Tip: Manchmal ist es hilfreich zu wissen dass wir nicht immer so handeln KÖNNEN wie wir wollen auch wenn wir wissen dass es das Beste wäre. Wir sind nur Menschen und das ist gut so.
Auch mir tut es oft weh die Unzulänglichkeiten des Systems zu ertragen aber ich glaube die Kunst unseren Beruf zu auszuführen ist es, das augenblicklich machbare zu tun und den Rest ertragen zu können...und das eine vom anderen zu unterscheiden.

Watcher
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