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medizin-forum.de :: Thema anzeigen - 3. Medizinische Argumente pro/contra Hirntodkonzeption
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3. Medizinische Argumente pro/contra Hirntodkonzeption

 
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jaeckel
Administrator


Anmeldungsdatum: 15.09.2004
Beiträge: 4711
Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 21.11.04, 19:20    Titel: 3. Medizinische Argumente pro/contra Hirntodkonzeption Antworten mit Zitat

Aufgabenstellung.


Bitte beantworten und diskutieren Sie aus Ihrer Sicht die Fragestellung:

Welche Argumente liefert bisher die Medizin pro/contra Hirntodkonzeption?

Bitte posten Sie Ihre Antwort auf diese Frage hier!
(mit "Antwort erstellen"; die Funktion "Neues Thema" ist absichtlich deaktiviert)
Danke!
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.medizin-forum.de
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jaeckel
Administrator


Anmeldungsdatum: 15.09.2004
Beiträge: 4711
Wohnort: Bad Nauheim

BeitragVerfasst am: 21.11.04, 19:28    Titel: Antworten mit Zitat

Einen persönlichen Beitrag...

Dr. Jäckel hat folgendes geschrieben::
Jede pharmakologische Wirkung am Organismus kann mit einer Kurve beschrieben werden. Die Mediziner legen diese Kurve der Theorie der Pharmakodynamik zugrunde. Die Kurve zeigt nach rechts eine asymptotische Abflachung. Das bedeutet in der Umgangssprache, dass die Konzentration der Wirksubstanz am Wirkort immer geringer wird aber nie auf Null geht. Ob die Wirksubstanz noch Wirkung zeigt hängt von der Empfindlichkeit des Organismus auf die Wirksubstanz und von deren Elimination ab.

Unfallopfer, Notfall- und Intensivpatienten werden beatmet. Zumindest in der Anfangsphase der ärztlichen Behandlung werden regelmäßig Medikamente verabreicht, die das Nervensystem/Gehirn massiv beeinflussen. Unfallopfer, Notfall- und Intensivpatienten, die Explantationskandidaten werden sollen, haben meist begleitende Organschäden, Durchblutungsstörungen oder Schockzustände durchgemacht. Diese führen zu einer wesentlich verzögerten Elimination der zentral wirksamen Substanzen. Bei Polytrauma-Patienten, die sich wieder erholen, kann man nachweisen, dass manche zentral wirksamen Substanzen unnormal lange, manchmal tagelang, nachwirken. Bei Rauschdrogen kennt man sogenannte Flash-backs noch nach Monaten. Zentral wirksame Medikamente beeinflussen und verfälschen auch die Ergebnisse einer neurologisch-fachärztlichen Untersuchung inkl. EEG. Eine neurologisch-fachärztliche Untersuchung ist grundsätzlich beschränkt auf äußere Zeichen (Reflexe, EEG) und Untersuchungen. Eine Innensicht steht ja prinzipiell nicht zur Verfügung. Die Hirnarterien-Angiographie befüllt die Hirnaterien mit Röntgenkontrastmittel. Beim Komapatienten, bei dem eine Hirndurchblutung ohnehin als gestört vermutet wird, verbietet sich eine solche Untersuchung, da die Durchblutungssituation durch die Untersuchung selbst verschlechtert werden kann.

Als Konsequenz bleibt nur, die Hirntodkonzeption in Ihrer Gänze abzulehnen, da sie mit prinzipiellen Unsicherheiten behaftet ist.


möchte ich auch gerne zur Diskussion stellen.
_________________
Herzlichen Gruss
Ihr Achim Jäckel
www.medizin-forum.de


Zuletzt bearbeitet von jaeckel am 13.04.05, 22:07, insgesamt 1-mal bearbeitet
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AnnettLoewe
DMF-Moderator


Anmeldungsdatum: 16.09.2004
Beiträge: 871

BeitragVerfasst am: 22.11.04, 10:08    Titel: Antworten mit Zitat

Weil es in diesem Thread nur ums Argumente-Sammeln geht, biete ich halt mal ein Gegenargument an.

Die Hirntod-Konzeption soll die zugegebenermaßen willkürliche Grenze zwischen der Weiterführung und dem erlaubten Abbruch ärztlicher Bemühungen darstellen. Dies deshalb, weil man technisch imstande ist, die übrigen Organfunktionen auf unbestimmte Zeit aufrechtzuerhalten, was allerdings außerordentlich aufwendig ist.
Das Berliner Institut für Tierexperimentelle Einrichtungen an der Charite hat mal iR einer Langen Nacht der Wissenschaften eine explantierte Schweineleber gezeigt, die mittels Organperfusion am Leben erhalten wurde. Sie sah zunächst ein kleines bisschen "missmutig",d.h. nicht ganz homogen durchblutet aus, weil sie während des Aufbaus ein bisschen gelitten hatte. Aber sie war unzweifelhaft lebendig. Das Glas, in dem sie aufbewahrt wurde, war körperwarm, sie produzierte Gallensaft und die Minderperfusion konnte im Verlauf der nächsten Stunden teilweise ausgeglichen werden. (Ich hab später noch mal nach ihr geschaut Mit den Augen rollen ) Solange es nicht aus irgendeinem Grund zu einem Schaden an dem Organ selbst kommt, kann man das beliebig lange fortsetzen.
Was eben die Frage aufwirft, was mit einer (hypothetischen) Ansammlung von Hirntoten Lebenden in der Zeit bis zu einem etwaigen anderweitigen tödlichen Organversagen geschehen soll. Sie belegen Intensivbetten und Ressourcen.
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T. Fojt
DMF-Mitglied


Anmeldungsdatum: 13.01.2005
Beiträge: 36
Wohnort: Lkr. Rgbg.

BeitragVerfasst am: 21.03.05, 22:05    Titel: Antworten mit Zitat

AnnettLoewe hat folgendes geschrieben::
.......Was eben die Frage aufwirft, was mit einer (hypothetischen) Ansammlung von Hirntoten Lebenden in der Zeit bis zu einem etwaigen anderweitigen tödlichen Organversagen geschehen soll. Sie belegen Intensivbetten und Ressourcen.


Ein sehr interessanter Gedanke.
Erinnert mich an meinen letzten Werkstattbesuch mit meinem PKW -> Ein Griff in das entsprechende Regal im Lager und in ein paar Augenblicken war der Wagen wieder einsatzfähig !! Geschockt
Allerdings frage ich mich ob der Hintergedanke der zitierten Aussage nicht doch eher im Bereich der Provokation anzusiedeln ist ??? Winken

Für meine Begriffe wäre dies ein absolut inakzeptables Vorgehen....spotet jedweder Ethik...

Zitat:
......explantierte Schweineleber .......mittels Organperfusion am Leben erhalten ........Solange es nicht aus irgendeinem Grund zu einem Schaden an dem Organ selbst kommt, kann man das beliebig lange fortsetzen.


Dies mag vielleicht mit der Schweineleber iR einer Langen Nacht funktioniert haben, aber wenn man sich mit der intensivmedizinischen /-pflegerischen Versorgung von hirntoten Organspender befasst, wird man sehr schnell einsehen bzw. feststellen, dass diesem "beliebig langem Fortsetzten" doch sehr eindeutige Grenzen gesetzt sind.
Aufgrund vielfach auftretenden Komplikationen ist man oftmals mit mit der Betreuung eines hirntoten, potentiellem Organspenders in seiner Schicht mehr beschäftigt, als wenn man 3 "normale", beatmetete, intensivpflichtige Patienten betreut.

MfG
Toby
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samira
DMF-Mitglied
DMF-Mitglied


Anmeldungsdatum: 06.10.2004
Beiträge: 154

BeitragVerfasst am: 13.04.05, 08:11    Titel: Anfang und Ende vom Leben Antworten mit Zitat

Es wird immer Diskussionen geben, da der Übergang fließend ist. Genauso wenig hat die Medizin eine Antwort gefunden auf die Frage: wann beginnt das Leben? Man hat auch eine Grenze setzen müssen, die willkürlich ist (3 Monate im Mutterleib).
_________________
samira
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S-M.Solomon
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Anmeldungsdatum: 15.08.2005
Beiträge: 4

BeitragVerfasst am: 15.08.05, 10:23    Titel: Re: Anfang und Ende vom Leben Antworten mit Zitat

samira hat folgendes geschrieben::
Es wird immer Diskussionen geben, da der Übergang fließend ist. Genauso wenig hat die Medizin eine Antwort gefunden auf die Frage: wann beginnt das Leben? Man hat auch eine Grenze setzen müssen, die willkürlich ist (3 Monate im Mutterleib).


Schon der alte Grieche Heraklit wusste, dass "alles Fließt". Interessanter Ansatz, das aufs menschliche Leben zu übertragen. Was die Grenze für Leben angeht, sie wird immer noch heftig in der Medizinethik diskutiert. Das Kriterium von drei Monaten ist nur eine Alternative unter vielen, die man gewählt hat. Aber ist ein biologisches Kriterium wirklich ausreichend?

Es gibt glaube ich zwei Ansätze: tatsächlich biologische Kriterien zu suchen oder aber moralische Kriterien (Beispiel Personenstatus). Beispielsweise könnte man den Zeitpunkt für den Beginn des Lebens schon ab der Befruchtung wählen. Das fällt dann unter das "Potentialitäts-Argument": Weil ein Embryo schon das Potential hat, ein Mensch zu werden, müssen wir davon ausgehen, dass er lebt (Einwände gibts hier zuhauf, eine Eichel ist schließlich auch keine Eiche, auch wenn sie das Potential dazu hat). Oder, wie Mary Warnock, wir setzen den Beginn für den Schutz menschlichen Lebens bei 14 Tagen an: nach 14 Tagen verfügt der Embryo über einen ausgebildeten Primitivstreifen. Vorher besteht die Möglichkeit, dass die Keimscheibe des Embryos zwei Primitivstreifen herausbildet (was bei eineiigen Zwillingen der Fall ist). Nach dem 14 Tag ist das nicht mehr möglich, es steht fest, ob ein Mensch oder zwei heranwachsen können.

Ich bezweifle aber, dass ein rein biologisches Kriterium reicht: ein Lebenskriterium, das wirklich Bestand haben soll, müsste in der Lage sein, auch auf nichtmenschliche Wesen angewandt zu werden. Womit wir wieder bei einer moralischen Frage wären: Ab wann fällt menschliches Leben in den moralischen Schutzbereich, wann erhält menschliches Leben einen Wert? Das ist eine endlose Diskussion, die wohl nicht endgültig beantwortet werden kann. Aber das ist ja auch nicht die Aufgabe von Ethik.

mfg

S.Solomon
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Lebenschenken
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Anmeldungsdatum: 02.07.2005
Beiträge: 4

BeitragVerfasst am: 15.08.05, 12:23    Titel: Re: Anfang und Ende vom Leben Antworten mit Zitat

Hallo,

zwar ist dies nicht das unmiittelbar zutreffende Forum, doch würde mich auch Ihre Meinung zur Lebendorganspende interessieren. Dies ist ja für eine Vielzahl der Betroffenen durchaus eine mögliche Alternative zur postmortalen Organspende, die ggf. auch möglich wäre für Zweifler und Gegner der Hirntodkonzeption. Der Gesetzgeber sieht eine sog. Subsidiarität der Lebendspende gegenüber der postmortalen Spende vor. Wie würden Sie dies für sich einordnen?

Beste Grüße,


Lebenschenken

quote="S-M.Solomon"]
samira hat folgendes geschrieben::
Es wird immer Diskussionen geben, da der Übergang fließend ist. Genauso wenig hat die Medizin eine Antwort gefunden auf die Frage: wann beginnt das Leben? Man hat auch eine Grenze setzen müssen, die willkürlich ist (3 Monate im Mutterleib).


Schon der alte Grieche Heraklit wusste, dass "alles Fließt". Interessanter Ansatz, das aufs menschliche Leben zu übertragen. Was die Grenze für Leben angeht, sie wird immer noch heftig in der Medizinethik diskutiert. Das Kriterium von drei Monaten ist nur eine Alternative unter vielen, die man gewählt hat. Aber ist ein biologisches Kriterium wirklich ausreichend?

Es gibt glaube ich zwei Ansätze: tatsächlich biologische Kriterien zu suchen oder aber moralische Kriterien (Beispiel Personenstatus). Beispielsweise könnte man den Zeitpunkt für den Beginn des Lebens schon ab der Befruchtung wählen. Das fällt dann unter das "Potentialitäts-Argument": Weil ein Embryo schon das Potential hat, ein Mensch zu werden, müssen wir davon ausgehen, dass er lebt (Einwände gibts hier zuhauf, eine Eichel ist schließlich auch keine Eiche, auch wenn sie das Potential dazu hat). Oder, wie Mary Warnock, wir setzen den Beginn für den Schutz menschlichen Lebens bei 14 Tagen an: nach 14 Tagen verfügt der Embryo über einen ausgebildeten Primitivstreifen. Vorher besteht die Möglichkeit, dass die Keimscheibe des Embryos zwei Primitivstreifen herausbildet (was bei eineiigen Zwillingen der Fall ist). Nach dem 14 Tag ist das nicht mehr möglich, es steht fest, ob ein Mensch oder zwei heranwachsen können.

Ich bezweifle aber, dass ein rein biologisches Kriterium reicht: ein Lebenskriterium, das wirklich Bestand haben soll, müsste in der Lage sein, auch auf nichtmenschliche Wesen angewandt zu werden. Womit wir wieder bei einer moralischen Frage wären: Ab wann fällt menschliches Leben in den moralischen Schutzbereich, wann erhält menschliches Leben einen Wert? Das ist eine endlose Diskussion, die wohl nicht endgültig beantwortet werden kann. Aber das ist ja auch nicht die Aufgabe von Ethik.

mfg

S.Solomon[/quote]
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S-M.Solomon
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Anmeldungsdatum: 15.08.2005
Beiträge: 4

BeitragVerfasst am: 15.08.05, 15:41    Titel: Re:Lebendorganspende Antworten mit Zitat

Hallo Lebenschenken,

Lebendorganspende streift gleich mehrere wichtige medizinethische Bereiche, deshalb ist eine Antwort nicht leicht. Ich werde aber versuchen, so gut wie möglich meine Position zu erklären.

Zunächst einmal macht der Gesetzgeber ja ziemlich klare Vorgaben (vgl.
http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Empfidx/Lebendorgan.html), die Ihnen sicherlich bekannt sind. Grundsätzlich, ja, in der Tat, für Gegner des Hirntodkriteriums bietet eine Lebendorganspende sich durchaus als Alternative an, wir haben hier nicht das Problem, den Tod eindeutig definieren zu müssen. Allerdings haben wir das Problem, dass Organentnahme an Lebenden in eine ähnliche Ecke gestellt werden könnte, wie Experimente an Lebenden.

Grundsätzlich müssen Spender wie Empfänger eine autonome Entscheidung treffen:
1. Die Ärzte haben über Risiken und Nutzen aufzuklären, also soviel Information zur Verfügung zu stellen, wie für eine kompetente Entscheidung notwendig ist.
2. Der Patient muss dazu in der Lage sein, die Situation korrekt einzuschätzen, er muss kompetent sein, das festzustellen ist aber auch wieder keine eindeutige Sache.

Für mich stellt sich die ethische Frage: Machen wir, wenn wir Lebendorganspende verrechtlichen, den Spender zu einem Ersatzteillager? Ein Beispiel:

Eine Frau hat eine irreversible Lungenschädigung und benötigt zum Überleben Teile einer neuen Lunge, ihr Mann wäre potentieller Spender. Nun dringen die Schwiegereltern den Mann dazu, doch eine Explantation vornehmen zu lassen.

Die autonome Entscheidung ist somit beeinträchtigt, da zumindest subtiler Zwang angewandt wurde. Wir haben also grundsätzlich die Schwierigkeit, sicherzugehen, dass der Spender eine vollständig autonome Entscheidung trifft, weil besonders bei der Lebendentnahme nur die direkten Verwandten oder sehr Nahestehende in Frage kommen. Und genau diese Personen sind mehr als alle anderen in der Lage, Druck auf uns auszuüben, wie man im Alltag sicher feststellt. Außerdem sollte man sich in einer solchen Situation nicht von seinen Gefühlen alleine leiten lassen.

Ein weiteres Beispiel, dass in einer etwas abgewandelten Form schon vor einem amerikanischen Gericht behandelt wurde:

Ihr Cousin benötigt eine neue Niere. Sie kommen als Spender in Frage und erklären sich zu einem vorläufigen Eignungstest einverstanden. Der Test ergibt eine vollkommene Kompatibilität, Abstoßreaktionen sind unwahrscheinlich. Sie haben ihrem Cousin die Hoffnung gemacht, eine neue Niere zu bekommen, womöglich sogar eine mündliche Zusage gegeben. In letzter Sekunde vor dem Eingriff kommen Ihnen aber Zweifel und sie entscheiden sich gegen die Explantation.
Der Cousin hat sich nicht mehr in eine Warteliste für Organspenden eintragen lassen, weil er davon ausgeht, dass sie ihm eine gesunde Niere spenden werden. Sind Sie jetzt verpflichtet, eine Niere zu spenden? Anders gesagt: hat der Cousin ein Recht auf ihre Niere?


Ich meine nein. Es ist zwar nicht besonders freundlich, eine Zusage zu machen, um sie anschließend zurückzunehmen, aber ein Recht lässt sich daraus nicht deduzieren. Sicher, angemessen wäre es, aber Sie besitzen keine Pflicht.

Ich denke, es wird deutlich, dass Lebendorganentnahme viele Fragen aufwirft, die man nicht schnell beantworten kann. Eine Gefahr besteht darin (Und Autoren haben dieses Szenario in Romanen bereits zu Genüge entworfen, wir scheinen nicht mehr weit davon entfernt zu sein) dass die Verrechtlichung der Lebendorganentnahme zu einem Schwarzhandel von Organen führen könnte. Wenn die einzige Möglichkeit, Familien zu unterhalten, für Menschen in nicht-entwickelten Ländern (ich lehne bewusst den Begriff "3.Welt" ab, wir leben nur in einer einzigen Welt, sind alle die gleichen Menschen, haben die selben Bedürfnisse. eine Unterteilung in 1,2 und 3 Welt erscheint zynisch und chauvinistisch, wenn wir die Hilfsnotwendigkeit betonen, aber andrerseits nicht deutlich machen, dass wir alle im selben Boot sitzen) die ist, ihre Organe zu "spenden", hätten wir tatsächlich das Szenario "lebender Mensch = Ersatzteillager".
Michael Bay skizziert eine solche Welt in seinem aktuellen Kinofilm "Die Insel", nach Ansicht vieler Feuilletonisten aber leider nur sehr oberflächlich, ohne tiefer zu gehen.
Da ich den Film noch nicht gesehen habe, kann ich mich nicht weiter dazu äußern.

Zwei Prinzipien kollidieren: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Verpflichtung des Arztes, das Wohl des Patienten zu fördern. Welches ist wichtiger, welches wiegt mehr?

Meine Persönliche Meinung: postmortale Organspende sollte mehr in den Blickpunkt gerückt werden, auch und insbesondere durch die Kirchen in Deutschland, die dazu beitragen können, dass Menschen bereit sind, nach ihrem Ableben Organe zu spenden.
Denn was habe ich für ein Problem als Christ, nach meinem Tod zu spenden? Keines, denn als Christ glaube ich an das ewige Leben, unabhängig von meinem irdischen Körper. Außerdem "Aus Erde bist du gemacht, zu Erde wirst du wieder".
Was habe ich für ein Problem als Nichtchrist? Auch keines, wenn ich den Tod als absolutes Ende der Existenz betrachte, sollte es mir auch egal sein, was mit meinem Leichnahm geschieht. Ich glaube wir sollten uns darauf konzentrieren, Menschen zu postmortaler Organspende zu ermutigen, anstatt die Alternative in der Lebendexplantation zu suchen.

mfg

S.Solomon
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Lebenschenken
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Anmeldungsdatum: 02.07.2005
Beiträge: 4

BeitragVerfasst am: 16.08.05, 13:23    Titel: Einige Bemerkungen Antworten mit Zitat

Hallo Frau oder Herr Solomon,

haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihr schnelles Posting. Zu Ihrer Ansicht bzgl. der Lebendspende anbei noch einige Bemerkungen:

"Eine Frau hat eine irreversible Lungenschädigung und benötigt zum Überleben Teile einer neuen Lunge, ihr Mann wäre potentieller Spender. Nun dringen die Schwiegereltern den Mann dazu, doch eine Explantation vornehmen zu lassen.
Die autonome Entscheidung ist somit beeinträchtigt, da zumindest subtiler Zwang angewandt wurde. Wir haben also grundsätzlich die Schwierigkeit, sicherzugehen, dass der Spender eine vollständig autonome Entscheidung trifft, weil besonders bei der Lebendentnahme nur die direkten Verwandten oder sehr Nahestehende in Frage kommen. Und genau diese Personen sind mehr als alle anderen in der Lage, Druck auf uns auszuüben, wie man im Alltag sicher feststellt. Außerdem sollte man sich in einer solchen Situation nicht von seinen Gefühlen alleine leiten lassen."

Hierzu möchte ich anmerken, daß die Lunge nur in seltenen Ausnahmefällen aus sehr naheliegenden Gründen zur Lebendorganspende vorgesehen ist. Das ist aber nicht als Kritik an Ihrer Argumentation gemeint, denn Ihr angeführtes Beispiel könnte auch mit jedem anderen Organ genauso funktionieren.

Ich möchte Sie an dieser Stelle aufmerksam auf ein anderes Posting von mir in diesem Forum aufmerksam machen. Unter 4. in diesem Forum finden finden Sie den Beitrag.

http://www.medizin-forum.de/phpbb/viewtopic.php?p=78811#78811

Ich habe versucht klar zu machen, daß meine Gedanken als Lebendorganspender vor der Transplant-OP sich in einigen entscheidenden Fragen deutlich unterschieden, von dem, was öffentlich diskutiert wird.

Der Befürchtung, daß eine rechtliche Ausweitung der Lebendspende ein erhöhtes Mißbrauchpotential im Sinne einer geradezu zynischen Umverteilung lebender Organe von arm nach Reich bewirken würde, kann nur durch klare rechtliche Rahmenbedingungen eingegrenzt werden. Wir kommen dabei aber nicht umher anzuerkennen, daß derjenige, der auf ein Organ angewiesen ist, und über entsprechende finanzielle Voraussetzungen verfügt, auch heute schon relativ problemlos ein solches Organ "kaufen" kann. Im Internet gelangt man recht zügig an sog. "Organbroker". Die Inanspruchnahme solcher Dienste stellt natürlich eine Straftat dar! Nun verstehen Sie mich bitte nicht falsch, in dem Sinne, daß ich den Organhandel vollkommen liberalisieren möchte. Leicht ließe sich am Beispiel der Niere allerdings klar machen, wie sich derartige Fälle quantifizieren ließen: Kommt ein Dialysepatient nichtmehr zur regelmäßigen Dialyse, und überlebt dennoch - ohne das Transplantprocedere "offiziell durchgemacht" zu haben kann man wohl von "Organhandel" in dem Sinne der von Ihnen geäußerten Befürchtung ausgehen. Die Anzahl solcher Fälle ist allerdings im gersamten westlichen Europa verschwindend gering! - Gottseidank, und damit soll auch nicht gesagt sein, daß ich diese Befürchtung herunterspielen möchte. Ganz Ihrer Meinung: Der potentielle Organspender soll -rechtlich bindend- seine Entscheidung zur Spende autonom und kompetent treffen können. Absurderweise aber gelangt man unter den hierzulande geltenden Rechten als möglicher Lebendspender im Entscheidungsprozeß stets an Steine im Weg. Die originäre Entscheidung ein Organ freiwillig - lebend - zu spenden wird rechtlich mit negativen Konsequenzen - z.B. hinsichtlich Versicherungsschutz für Konsequenzen der Transplant - OP, oder Entschädigungszahlungen für die Arbeitgeber von Lebendorganspendern - sanktioniert. Hierzu ist vor allem zu bemerken, daß ein blühender "Organhandel" in diesem Land de facto seit Einführung des TPG bereits völlig legal stattfindet! Dieser "Organhandel" ist allerdings sehr unfair gegenüber denjenigen, die dieses Geschäft überhaupt erst ermöglichen. Den Spendern. Eine wirkliche "Win-Win" Situation kann einerseits dann mit avisierten "Altruismusgedanken" erreicht werden, wenn die originäre Entscheidung des potentiellen Spenders nicht nur dessen finanzielle "Bereicherung" rechtlich ausschließt, sondern auch die die der übrigen beteiligten Parteien. Das ist aber nicht in unserer Gesellschaft zu machen. Deshalb müßte m. E. andererseits der Spender im Sinne einer "Win-Win-Situation" auch fair in diesem "Organhandel" beteiligt werden.

Beispiel: Bezeichnenderweise genießt die Gesellschft durch jede einzelne Nierenspende, und sei sie nun postmortal oder lebend, potentiell Einparungen für die Behandlungskosten des Empfängers im mindestens höheren sechsstelligen Bereich! Dieser Effekt wird durch wegfallende Dialysekosten und wiedergewonnene Arbeitskraft des Empfängers bereits zwei Jahre nach der Transplant-OP erzielt. Ferner verdienen u. A. Transplantzentren und Industrie an der Organspende gutes Geld.

Diese Umstände zeigen, daß ein einseitig sanktionierter "Organhandel" in unserer Gesellschft doch vollkommen legal stattfindet. Deshalb, weil vor der Transplant-OP dem potentiellen Spender eine einseitige "Gewissensentscheidung" abverlangt wird, die monetäre Anreize ausschließt, während alle übrigen Parteien unter monetären Voraussetzungen handeln, hat die gesamte Angelegenheit einen gewissen Haken zum Nachteil des Spenders.

Wie aber kann ein solcher Spagat gemeistert werden? Denn die originäre Gewissensentscheidung sollte doch dem Spender schon zugemutet werden, wenn dieser sie kompetent, aufgeklärt und voll geschäftsfähig treffen kann. M. E. liegt ein Ansatz in einem rechtlichen Rahmen, der dem Spender, sowie Träger des Organspendeausweises gewisse gesellschftliche Privilegien einräumt. Damit meine ich einen, sagen wir mal, symbolischen Dank der Solidargemeinschaft. Dies könnte z.B. in der vorgeschlagenen Beibehaltung des Sterbegeldes für Spender sein. Oder in der Übernahme von "First-Class" Krankenversicherungszuschlägen für Spender u.s.w. Da ist vieles denkbar, ohne daß dem Spender direkte Gelder zufließen, die seinem Gewissen in einer Entscheidungssituation auf die Sprünge helfen. Ferner hat die Gesellschaft, besser Versichertengemeinschaft, die Risiken und auch die entstehenden Kosten - ! - des Spenders vollkommen abzusichern. Das dies nicht der Fall ist, - siehe oben - finde ich skandalös.

Zu einem anderen Punkt. Ich halte die bestehende Subsidiarität der Lebendorganspende gegenüber der postmortalen Spende gleich auis mehreren Gründen für ungünstig. Einmal bietet die Möglichkeit der Lebendspende viel günstigeres Potential an Risikominimierung und Prognoseverbesserung für den Empfänger - ohne jetzt hier ins Detail gehen zu wollen. Zweitens hilft es aber auch nicht weiter zu sagen wir bevorzugen die Lebendspende. Denn ein passendes Organ muß ja auch erstmal gefunden sein.

Wie sich zeigt, reichen die zur Verfügung stehenden Organspenden selbst in Ländern mit sog. Widerspruchslösung insgesamt nicht aus. Und dies gibt Grund zur gesellschftlichen Debatte. Ich könnte mir als Ziel eine wirkliche "Win-Win" Situation vorstellen, in der alle am "Organhandel" beteiligten gleichermaßen und fair beteiligt werden, vorstellen. Das originäre Prinzip, daß die Einwilligung zur Spende autonom, kompetent und aufgeklärt getroffen werden muß ist allerdings unbedingt sicherzustellen. Ich kam mir mit dieser Frage als Lebendspender von der Solidargemeinschaft im Stich gelassen vor.

Herzliche Grüße,

Lebenschenken
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