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Patientenverfügung

 
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Gine
Interessierter


Anmeldungsdatum: 27.03.2005
Beiträge: 19

BeitragVerfasst am: 28.03.05, 18:58    Titel: Patientenverfügung Antworten mit Zitat

Hallo,
habe mit sehr großem Interesse Ihre Diskussion bzgl. Patientenvefügung gelesen.
Unsere Mutter (77 J) liegt seit 13 Tagen im Koma, künstliche Beatmung und Ernährung, vorausgegangen ist eine Ventrikelblutung, es kam in diesen 13 Tagen bereits zu 2 weiteren Blutungen.
Unsere Mutter hat bereits 1997 eine Patientenverfügung verfasst und wir haben auch in der Familie immer offen gesprochen, was unser Wunsch ist, sollten wir jemals in eine solche Situation kommen.
Wer entscheidet nun, ob das Beatmungsgerät abgestellt wird? Die behandelnden Ärzte der Intensivstation oder der Patientenanwalt?
danke für eine Antwort
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Joachim Wagener
DMF-Mitglied
DMF-Mitglied


Anmeldungsdatum: 15.09.2004
Beiträge: 864

BeitragVerfasst am: 28.03.05, 22:16    Titel: Re: Patientenverfügung Antworten mit Zitat

Gine hat folgendes geschrieben::
(...)Unsere Mutter hat bereits 1997 eine Patientenverfügung verfasst und wir haben auch in der Familie immer offen gesprochen, was unser Wunsch ist, sollten wir jemals in eine solche Situation kommen.(...)Wer entscheidet nun, ob das Beatmungsgerät abgestellt wird? Die behandelnden Ärzte der Intensivstation oder der Patientenanwalt?
danke für eine Antwort

Hallo Gine,

besonders vor dem sehr ernsten Hintergrund gilt: jede Antwort auf ihre ursprüngliche Frage wäre bedenklich unseriös, solange man den Inhalt und die Form/die Hintergründe dieser Verfügung nicht kennt.
Verstehen sie bitte: die einmal begonnene Behandlung ihrer Mutter kann nicht ohne eine vollkommen fehlerfreie Beurteilung der aktuellen Lage durch alle Beteiligten verändert oder gar beendet werden.
Sprechen sie mit dem Behandlungsteam: haben sie dessen Beurteilung, holen sie sich ggf Rat durch einen Juristen. Legen sie dem Behandlungsteam die vollständige Originalurkunde oder eine beglaubigte Kopie der Verfügung vor, nachdem sie sich die Prognose haben erklären lassen! Fragen sie nach, wenn Unklarheiten bestehen bleiben: man wird ihnen weiterhelfen.

Mit unseren besten Wünschen,
_________________
Joachim Wagener
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Gine
Interessierter


Anmeldungsdatum: 27.03.2005
Beiträge: 19

BeitragVerfasst am: 29.03.05, 09:47    Titel: Patientenverfügung Antworten mit Zitat

Sehr geehrter Herr Wagener,
selbstverständlich kann die bei unserer Mutter begonnene Behandlung nicht einfach so verändert oder beendet werden.
Inhalt und Form ihrer Patientenverfüung ist das Formal der DGHS, wonach lebenserhaltende Maßnahmen von unsere Mutter abegelehnt werden, wenn 2 Ärzte
diagnostizert haben, daß
a) nur eine geringe Aussicht besteht, das Bewußtsein wiederzuerlangen
b) eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß sie eine schwere Dauerschädigung des Gehirns davonträgt

Wir haben 4 Ärzte mit 5 Meinungen sozusagen. Eine spricht von sehr sehr langer Reha (wenn sie eventuell aufwacbt) und betont auch immer wieder, daß der jahrzehntelange Alkoholgenuß bereits bleibende Schäden hinterlassen hat.

Ein anderer spricht von, das sei alles normal, das dauere eben seine Zeit, aber dann gehe es aufwärts. Man müsse wohl mit Einschränkungen rechnen, aber es gehe aufwärts.

Kein Arzt konnte uns bisher klipp und klarr sagen, wie es weitergeht.

Nach 2 Wochen im Koma und bereits 2 Entlastungsbohrungen ins Gehin (welche ja auch wieder enie Blutung verursachen), eine 3. Bohrung steht bevor, ist eine schwere Schädigung des Gehirns sicherlich unvermeidlich, oder?
Ab welchem Zeitpunkt gilt ein Komazustand (kein Wachkoma) als lange? 2 Wochen, 3 Wochen, 1 Monat?
Diese Fragen werden uns nicht eindeutig beantwortet. Dem Behandlungsteam liegt die Patientenverfügung vor. Aber sie sprechen uns nicht darauf an.
Sie wurde wohl um Amtsgericht weitergeleitet, warum wissen wir nicht.

Wir möchten ja mit den Ärzten sprechen können, aber sie geben einfach keine klaren Antworten.
es wäre schön, wenn sie uns nochmal antworten könnten
vielen Dank
Gine
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Joachim Wagener
DMF-Mitglied
DMF-Mitglied


Anmeldungsdatum: 15.09.2004
Beiträge: 864

BeitragVerfasst am: 29.03.05, 13:44    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
(...)wenn 2 Ärzte
diagnostizert haben, daß
a) nur eine geringe Aussicht besteht, das Bewußtsein wiederzuerlangen
b) eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß sie eine schwere Dauerschädigung des Gehirns davonträgt (...)

Sehen sie: hier liegen die ersten Probleme:
    ab wann ist eine Aussicht gering?
    Ab wann ist eine Wahrscheinlichkeit hoch?
    Ab wann ist eine Dauerschädigung schwer?
    Aus wessen Sicht ist der Schweregrad zu beurteilen?

Sie sehen, und das ist natürlich und verständlich, den Ablauf aus Angehörigen-Sicht, den Willen der Mutter vor Augen.
Aber eine Entscheidung zu einer Therapiebegrenzung, die sich auf eine Patientenverfügung stützt, darf nicht fehlerhaft oder unscharf geprüft werden; daher haben die verantwortlichen Entscheider im Behandlungsteam jede Möglichkeit und jede realistische Chance zu prüfen. Was sie als „Sich-dem-Gespräch-Entziehen“ erleben, ist sicherlich eher der Wunsch der Teammitglieder, ohne Beeinflussung durch die Angehörigen eine ärztlich und juristisch fehlerfreie Entscheidung zu treffen.
Zitat:
(...)Diese Fragen werden uns nicht eindeutig beantwortet. Dem Behandlungsteam liegt die Patientenverfügung vor. Aber sie sprechen uns nicht darauf an. (...)

Entschuldigen sie meine Offenheit, aber die Entscheidungsgründe dürfen nicht vordergründig bei den Angehörigen gesucht werden, sondern in der Patientenverfügung selbst. Sie sehen aber an der Kontaktaufnahme mit dem Amtsgericht, dass die Verfügung ihrer Mutter die gehörige Beachtung findet.
Zitat:
(...)Kein Arzt konnte uns bisher klipp und klarr sagen, wie es weitergeht. (...)

Sehen sie das aber nicht als Unvermögen eines Arztes, sondern als Unmöglichkeit: in der Intensivstation finden sie keine Hellseher. Den zwingenden, immer und unter allen Umständen gleichförmig ablaufenden Krankheitsverlauf finden sie nicht, so sehr man sich auch manchmal die unbedingte Vorhersagbarkeit wünscht.
Zitat:
(...)Ab welchem Zeitpunkt gilt ein Komazustand (kein Wachkoma) als lange? 2 Wochen, 3 Wochen, 1 Monat? (...)

Das kann man so nicht beantworten. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich hier im Forum konkrete Antworten wünschen, aber das wäre hier wieder unseriös. Die Beurteilung des Komas/der Komadauer ist hier nicht möglich, weil z.B.die Gabe von bestimmten Medikamenten erforderlich sein kann, um etwa maschinelle Beatmung zu ermöglichen: diese Medikamente können zusätzlich zum blutungsbedingten Koma ihrerseits eine Dämpfung bewirken.

Wenn sie weiterhin das Gefühl haben, dass es nicht gelingt, zusammen mit dem Behandlungsteam Antworten auf ihre Fragen zu finden, lassen sie doch Fachleute für sie diese Fragen stellen: bitten sie z.B. den Hausarzt ihrer Mutter und/oder einen Juristen, mit dem Team Kontakt aufzunehmen.

Alles Gute!
_________________
Joachim Wagener
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Dr. Ch. Erbschwendtner
DMF-Moderator


Anmeldungsdatum: 30.01.2005
Beiträge: 970

BeitragVerfasst am: 29.03.05, 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Gine !

Die Antwort von Kollegen Wagener kann ich nur voll unterstreichen.

Ich möchte einige Punkte aus meiner persönlichen Sicht einfügen:

Das Gehirn ist kein wachsendes Organ, daher ist die Erholungsfähigkeit von Verletzungen deutlich eingeschränkt, jedoch möglich, allerdings langsamer als bei schnell wachsenden Organen. Auf der anderen Seite gibt es auf Reserve angelegte Gebiete, die die Funktion übernehmen können. Daher und wegen der extrem komplexen Funktionsweise ist die Prognose speziell bei den höheren Hirnleistungen extrem schwierig. Jeder Arzt wird entsprechend seiner persönlichen Erfahrungen die Situation unterschiedlich einschätzen, daher 4 Ärzte und 5 Meinungen, dazu kommt , daß nicht jeder Arzt sich Angehörigen gleich verständlich machen kann, wenn er vielleicht auch das gleiche meint ...

Zum Thema Gericht. Auch ich sehe es positiv. Man hat die Patientenverfügung zur Kenntnis genommen. In solchen Situationen kontaktiere ich auch das Sachwaltschaftsgericht, da der Patient nicht für sich entscheiden kann und dies die einzige rechtlich befugte Institution ist, die Entscheidungen treffen darf. Natürlich sucht man als Arzt das Gespräch mit den Angehörigen um den mutmasslichen Willen des Patienten zu erraten, bzw erfahren. In weiterer Folge wird das dann gemeinsam mit der Patientenverfügung mit dem zuständigen Richter besprochen und das weitere Vorgehen fest gelegt. Dieses Sytem dient zum Schutz des Patienten !

Was ist eine hohe Wahrscheinlichkeit ?

Behandeln wir Patienten mit einer Chance von 1:10 oder 1:100 nicht mehr oder ab 1:1000 oder erst ab 1: 1 Million oder ....

wegen der starken individuellen Unterschiede ist die Prognose für einen einzelnen auch extrem schwierig, ich kann zwar sagen, daß einer von 100 überlebt, aber welcher von den 100 es ist, kann ich nicht sagen, sonst könnte ich ja die restlichen 99 getrost nicht behandeln und ihnen evt. Leiden ersparen.

Verzeihen Sie die Überlänge meines Beitrages, aber dies sind die Probleme mit den Arzt und Angehörige kämpfen und mich jeden Tag wieder bewegen.

Alles Gute für Ihre Mutter

Erbschwendtner
_________________
Dr.Ch. Erbschwendtner
Internist, LNA
Rett-Med
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