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medizin-forum.de :: Thema anzeigen - Gibt es Ärzte, die Beihilfe zum Suizid leisten?
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Gibt es Ärzte, die Beihilfe zum Suizid leisten?
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Barca
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Anmeldungsdatum: 24.05.2008
Beiträge: 508
Wohnort: USA & D

BeitragVerfasst am: 14.08.08, 12:10    Titel: Antworten mit Zitat

Beitragszahler hat folgendes geschrieben::
Das tut mir leid, aber vorher hätten Sie m.E. auch nichts ändern können.

Rückwirkend betrachtet (unter Anwendung meiner medizinischen Ausbildung, die heute ausgeprägter ist als damals) gab es Zeichen, die ich damals entweder nicht bemerkt oder Mißinterpretiert habe. Ich habe bis heute das Gefühl hier versagt zu haben. Und sie ist in meiner Schicht, in meinem Traumaraum gestorben, das hat die Sache doppelt so schlimm gemacht, weil ich mir nun nicht mehr nur vorgeworfen habe, dass ich die Zeichen übersehen habe, sondern auch, dass ich nichts mehr tun konnte. Es war einfach zu spät.

Beitragszahler hat folgendes geschrieben::
Wer möchte das denn nicht, aber muss es denn ein Freitod, dann auch noch ein begleiteter, ein angeleiteter sein?

Nein, das sage ich ja, ich würde mich nie an sowas beteiligen, aber ich würde mich dafür einsetzen, ihn zu verhindern, weil es immer noch die Hoffnung auf Hilfe gibt. Jemand der sterbenskrank ist ist sicherlich ein Grenzfall, da hätte ich auch Gewissensbisse, wenn ich dann auch noch eingreifen würde, weil ich ihm damit wohlmöglich die Chance auf einen "angenehmen" Tod gebe, sofern es den überhaupt gibt, was wir lebenden als angenehm bezeichnen muss es für die Sterbenden ja noch lange nicht sein.

Beitragszahler hat folgendes geschrieben::
Ich für mich stelle es mir perfekt so vor, dass ich mich mal wie ein sterbendes Tier an einen schönen Ort zurückziehen kann, sei dieser Ort nur in Gedanken vorhanden, und entschlafe mit einem Lächeln, selbst bei grössten Schmerzen und Qualen.

Das ist leider Wunschdenken, die Welt hat sich geändert, früher war das so, heute sterben leider nur noch ein Bruchteil der Leute unter für uns so "optimalen" Bedingungen.
Wobei ich finde, dass niemand mit Schmerzen und Qualen entschlafen muss, das kann man vorher auch mit Hilfe der Palliativmedizin angenehmer gestalten.

Beitragszahler hat folgendes geschrieben::
Ich für mich sehe nur Widersprüche und Konflikte.

Worin? Dieser Absatz ist mir nicht ganz klar.

Beitragszahler hat folgendes geschrieben::
Hm, ich lese leider zu häufig von solchen Familiendramen

Und das ist noch nicht die Spitze des Eisbergs, es wird zunehmen, die Tragödien von Menschen, die keine Hoffnung mehr haben werden in absehbarer Zeit allgegenwärtig sein, solange unsere Gesellschaft so auseinanderdriftet (Sie nennen es passend "Niedergang des Mittelstandes").

Beitragszahler hat folgendes geschrieben::
Und führt dann eine fehlgeschlagene Verarbeitung des Suizids eines geliebten Menschen nicht dann auch hier und da mal zu einem gleichartigen Aufgeben des damit Belasteten?

Doch, unter ungünstigsten Umständen führt dies sogar zu einer Kettenreaktion, wenn ein Mensch nun den Menschen verliert, der ihm alles bedeutet hat, sehe ich diesen Hinterbliebenen auch mehr als gefährdet an in ein solches Loch zu stürzen.

Satchmo. hat folgendes geschrieben::
wenn man appallische patienten in tiefem koma oder ähnliches hat deren lebensquaität nicht mehr meßbar ist. da sollte man auch mal den mut haben jemanden gehen zu lassen und zwar ärzte und angehörige. jedes tier bekommt eine gnadensspritze.

Der Vergleich zu Tieren ist in der Humanmedizin nicht unbedingt passend, wenn auch in diesem Falle verständlich. Sicherlich gibt es irgendwann den Punkt, wo man auch als Arzt sagt: "die Maschinen werden abgestellt, die Nahrungszufuhr wird gestoppt, es hat keinen Sinn mehr". Aber wer entscheidet, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist? Das ist eine Einzelfallentscheidung, wie sie tagtäglich in hunderten von Kliniken gefällt werden muss und auch gefällt wird. Das sehe ich aber nicht als Sterbehilfe, sondern als legitime Maßnahme an, ebenso die Einstellung von Reanimationsmaßnahmen bei todkranken, wenn anzunehmen ist, dass das Leiden dadurch verstärkt oder verlängert wird.
Zu Beginn braucht man diese Maßnahmen aber nunmal, denn in erster Linie hat jeder von uns das Recht auf LEBEN.
Das man später Vernunftsentscheidungen treffen muss, das ist keine Frage.
Aber einem Patienten helfen, der in die Praxis kommt und sagt, dass er sterben wolle, und ob man da nicht etwas auf Rezept bekommen könnte, was man in Überdosis schlucken kann, nein, das geht nicht.
Wenn der Patient mich bittet, die Beatmungsmaschine oder die Nahrungszufuhr zu unterbrechen, dann ist das der Wunsch des Patienten, den ich nach entsprechender Absicherung (Patientenverfügung, Wiederholung der Aussage unter Zeugen) auch ausführen muss. Das hat dann aber nichts mehr mit Sterbehilfe zu tun.

Satchmo. hat folgendes geschrieben::
doch was hätten sie getan wäre sie zu ihnen gekommen? brächten sie es übers herz ihre freundin in nen geschlosene psychatrie zu bringen solange sie sich nicht wirklich sicher sind daßn gefahr im verzug ist (dann natürlich ja). aber wenn jemand depressiv ist kann man ihn ja nicht vorsorglich einweisen.

Ja, notfalls würde ich zu soetwas bereit sein. Und wie ich oben schon schrieb, würde ich nur so handeln, wenn ich sicher bin, dass Gefahr im Verzug ist, wie gesagt, Suizidgedanken die man so daherredet sind was anderes, als wenn mir ein Patient bereits detaillierte Pläne erzählen kann. Manches kann man mit Interventionsgesprächen und täglicher Vorstellung in der Praxis überbrücken, anderes muss psychiatrisch sofort mitbehandelt werden, in leichteren Fällen reicht es auch aus, wenn der Patient eine Therapie beginnt. Im Zeifelsfall würde ich zum Wohle des Patienten handeln, und das ist bei Depressionen & Co. sicherlich nicht der Suizid, sondern eine sofortige Intervention. Bei Sterbenskranken würde ich wohl auch den Amtsarzt informieren, wenn mir zugetragen wird, dass da ein suizidales Risiko besteht, der weist ja auch nicht sofort ein, sondern begutachtet erst, aber 4 Augen und Ohren nehmen mehr wahr als nur 2. wenn der Amtsarzt dann sagt "nö, da ist alles noch im vertretbaren Bereich" - okay, aber dann ist die Sache klar.

Satchmo. hat folgendes geschrieben::
zudem weiß ich leider wie es in nen geschlossenen zugeht,meine partnerin wurde dort von einem übereifrigen polizisten eingewiesen als sie wegen stalkling ausgeflippt ist. mir war nicht möglich sie zu besuchen oder auch nur zu erfahren wie es ihr geht. es war die hölle für beide. das sollte man auch bedenken wenn man vor so nen entscheidung steht als helfer. gut gemeint ist oft das gegenteil von gut.


Das kann ich so nicht sagen, ich hatte keine Probleme jemanden in der Geschlossenen zu besuchen, wenn Besuch abgelehnt wird, dann passiert das in der Regel, weil der Patient das nicht verkraften würde oder aus Sicht des behandelnden Arztes nicht gestört / belastet werden darf. Ist ja in der psychosomatischen Reha auch so, dass die Ärzte Besuch der Familie untersagen, wenn das dem Therapieerfolg im Wege stehen würde.
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Beitragszahler
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Anmeldungsdatum: 27.12.2006
Beiträge: 939

BeitragVerfasst am: 14.08.08, 12:56    Titel: Antworten mit Zitat

Ich kann hier und dort natürlich nicht als medizinischer oder psychologischer Experte antworten, sondern als Lebensexperte und diese Expertise ohnehin zum Schluß die wichtigste von allen ist.
Barca hat folgendes geschrieben::
Rückwirkend betrachtet (unter Anwendung meiner medizinischen Ausbildung, die heute ausgeprägter ist als damals) ... dass ich die Zeichen übersehen habe...

Genau ja deshalb hätten Sie nichts verändern können.
Zeit und Ort bestimmen nun einmal über unser aller Schicksal.

So ist es bei mir schon ein paar mal traumatisch im Leben zugegangen, habe erst vor ein paar Jahren begonnen dies mit fachlicher Begleitung aufzuarbeiten, bin immer noch nicht mit allem durch.
Ich bin aber sehr glücklich und dankbar endlich diesen Weg und diese (Fach)Menschen gefunden zu haben, denn ich dachte immer, durch die Lebenssituationen, immer alles allein schaffen zu müssen.

Bis dahin galt es zu verdrängen, keine Schuld zu haben und keine Schuld zu suchen.
Das geht so weit, dass ich bis heute für alle Lebensbereiche das Schuldprinzip weitestgehend ablehne.

Ich müsste zu viel schreiben, einiges möchte ich auch hier nicht abbilden, weil ich erst selbst noch entdecken muss.
Aber erst vor ein paar Monaten erlebte ich eine Situation mit einer der alten schon aufgearbeiteten Geschichten, die mich schon ein paar Tage innerlich wieder fesselte.

So gab es mal ein Erlebnis, wobei mein Schulkamerad grausam getötet wurde.
Kurz bevor dies geschah, also mein Schulkamerad sein Experiment starten wollte, sagte ich nur aus Spaß, dass es nun los gehen würde und entfernte mich.
Nur wenige Sekunden später war es die Hölle auf Erden und mein Schulkamerad tot.

Vor ein paar Monaten traf ich an meinem neuen Arbeitsort in einer anderen Stadt einen alten Bekannten, der damals das auch vor Ort mitbekam, aber nicht so wie ich und er auch in einem anderen Bereich war, als dies passierte.
Wir kamen zu dieser Sache ins Gespräch und er sagte zu mir, dass ich ihn damals albernd drängelnd mitgenommen hatte vom Ort des verhängnisvollen Endes, er mir nun zu verstehen gab, dass er es dann auch nicht überlebt hätte.

Das hatte mich innerlich frösteln lassen, es wäre demnach nie richtig gewesen Schuld haben zu müssen.
Ich muss das so verdrängt haben, war ja durch die grausamen Bilder, die mein Bekannter so nicht sehen musste, auch sehr traumatisiert, musste damit allein zurecht kommen, weil da niemand war, alle überfordert waren, alle geschwiegen hatten, ich zum makabren Glück schon vorbelastet war.

Soll ich mich nun anfangen zu fragen, warum ich es nur für uns zwei schaffen konnte, und nicht auch für den Dritten, der nun tot ist?
Nein, das werde ich nicht machen und ich könnte es auch nicht.
Dazu habe ich schon zu lange mein bewährtes System mit viel Intuition, was mir nun schon mehrfach helfen konnte, auch wenn es nicht immer funktioniert.

Ein Beitragszahler
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hope007
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Anmeldungsdatum: 13.03.2008
Beiträge: 230

BeitragVerfasst am: 19.08.08, 00:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Barca, Beitragszahler, Satchmo,

Ich war jetzt einige Tage offline.

Barca, Du hast bei Deiner Freundin nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Das es ein einschneidendes Erlebnis war und nie ganz überwunden werden kann, ist auch klar. Der Selbstmord von meinem Bekannten hat mein Leben auch beeinflusst, sowie alle in seinem Freundes- und Bekanntenkreis. Es war ein grosser Schock vor allem auch, weil er gerade beruflich einen ziemlichen Schritt nach vorne gemacht hatte, und alle der Meinung waren es geht ihm gut. Ich bin sicher aufmerksamer geworden und frage dreimal nach, wenn ich das Gefühl habe, es geht jemandem nicht gut. Auch wenn ich gewisse Sachen eigentlich gar nicht wissen will. Ein kleines Geschenk, ein freundliches Wort oder auch nur ein Lächeln, das man jemandem schenkt, kann dessen Tag positiv beeinflussen.

Ich möchte auch noch einmal klar stellen, dass für mich das Selbstbestimmungsrecht dort aufhört, wo andere mit hinein gezogen werden. (War auch viel mit der Bahn unterwegs.) Womit für mich auch klar ist, dass ich niemanden weder Arzt noch Familie oder Freunde um Sterbehilfe bitten kann. Das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Ich habe auch keine Ahnung, wie ich auf so eine Bitte reagieren würde. Es wäre nur irgendwie beruhigend, wenn ....
Was für einen das Leben zum Leben macht, muss sowieso jeder für sich entscheiden. Ich kann mir zur Zeit nicht vorstellen, dass ein Leben als absoluter Pflegefall für mich noch lebenswert ist, vor allem wenn ich noch geistig fit bin und alles mitbekomme, aber selber nichts mehr tun kann.

Vor kurzem habe ich von einem MS Patienten gelesen, der in die Schweiz für aktive Sterbehilfe gegangen ist. Er ist mit neuem Lebenswillen zurück gekommen. Alleine die Möglichkeit über seine Ängste und Gedanken zu reden und die Aussicht, dass es immer noch möglich ist, wenn es ihm schlechter gehen sollte und er nicht mehr will, haben ihm geholfen. Womit ich bei meinem letzten Punkt für heute bin. Ich bin der Meinung, dass Suizid und Sterbehilfe noch viel zu tabuisiert sind. Der Goßteil wird wahrscheinlich auf die Ankündigung eines Selbstmords mit: "Das darfst Du nicht" reagieren. Mich würde das schon einmal davon abhalten, es jemandem zu erzählen. Viel besser wäre es doch zu sagen: "Komm lass uns darüber reden". Ich glaube, dass viel verhindert werden würde, wenn man offen über solche Gedanken reden kann.
Okay, sind vllt etwas viele wenns und würde.

LG, Tina
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Barca
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Anmeldungsdatum: 24.05.2008
Beiträge: 508
Wohnort: USA & D

BeitragVerfasst am: 24.08.08, 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Tina,
hope007 hat folgendes geschrieben::
Ich möchte auch noch einmal klar stellen, dass für mich das Selbstbestimmungsrecht dort aufhört, wo andere mit hinein gezogen werden. (War auch viel mit der Bahn unterwegs.)

Sobald ich um diesen "Gefallen" gebeten werde, bin ich involviert und muss dann nach strafrechtlichen, berufsrechtlichen, ethischen und moralischen Gründen entscheiden.

hope007 hat folgendes geschrieben::

Was für einen das Leben zum Leben macht, muss sowieso jeder für sich entscheiden. Ich kann mir zur Zeit nicht vorstellen, dass ein Leben als absoluter Pflegefall für mich noch lebenswert ist, vor allem wenn ich noch geistig fit bin und alles mitbekomme, aber selber nichts mehr tun kann.

Das wäre wohl für keinen von uns lebenswert, und ich bin sicher, dass sich in der Situation viele freuen würden, wenn sie dann friedlich einschlafen könnten (ich auch). Aber muss man dafür "Fremde" ins Unglück stürzen?

hope007 hat folgendes geschrieben::

Vor kurzem habe ich von einem MS Patienten gelesen, der in die Schweiz für aktive Sterbehilfe gegangen ist. Er ist mit neuem Lebenswillen zurück gekommen. Alleine die Möglichkeit über seine Ängste und Gedanken zu reden und die Aussicht, dass es immer noch möglich ist, wenn es ihm schlechter gehen sollte und er nicht mehr will, haben ihm geholfen.

Sicher, das mag es auch geben, aber wir in Deutschland müssen nunmal auf die normalen Optionen ausweichen - interventive Gespräche und begleitende Psychotherapie. Und manchmal muss man eben etwas mehr helfen, wenn man sieht, dass die Leute nichts mehr hinkriegen und total in der Hoffnungslosigkeit versinken. Wer sich umbringen will, der macht das, das kann man nicht verhindern, es gab auch schon Patienten, die zwangseingewiesen wurden und sich in der Klinik umgebracht haben, es gibt immer Möglichkeiten. Aber man muss das nicht aktiv unterstützen, auch wenn ich sicherlich Kollegen habe, die das Ganze etwas anders betrachten.

hope007 hat folgendes geschrieben::
Ich bin der Meinung, dass Suizid und Sterbehilfe noch viel zu tabuisiert sind. Der Goßteil wird wahrscheinlich auf die Ankündigung eines Selbstmords mit: "Das darfst Du nicht" reagieren.

Finde ich auch, man sollte sogar darüber reden. Ich würde auch nicht sagen "das darfst du nicht", im Endeffekt muss das jeder selber entscheiden, es dürfen halt keine Unschuldigen beteiligt werden. Primäres Ziel sollte aber die Krisenbewältigung sein, der Tod ist meistens kein Ausweg sondern nur eine Flucht. Und wie schon so oft gesagt: Jemand der die Gedanken hat und darüber reden will - gerne, jederzeit, jemand, der mich vor vollendete Tatsachen stellt und die Sprechstunde quasi mit der Ankündigung verlassen will, der macht das Ganze schon komplizierter.
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hope007
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Anmeldungsdatum: 13.03.2008
Beiträge: 230

BeitragVerfasst am: 01.09.08, 00:34    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Barca,
Im Großen und Ganzen sind wir uns eigentlich eh einig. Winken
Barca hat folgendes geschrieben::
Sobald ich um diesen "Gefallen" gebeten werde, bin ich involviert und muss dann nach strafrechtlichen, berufsrechtlichen, ethischen und moralischen Gründen entscheiden.

Für mich ist eigentlich klar, dass ich niemanden darum bitten kann. Seit meiner Diagnose "wahrscheinliche MS" vor zwei Jahren (kann heute Jahrestag feiern), habe ich viel darüber nachgedacht und mir ist klar geworden, dass es passieren kann, dass meine Grundsätze irgendwann mit meinen Wünschen kollidieren könnten.

Barca hat folgendes geschrieben::
Und manchmal muss man eben etwas mehr helfen, wenn man sieht, dass die Leute nichts mehr hinkriegen und total in der Hoffnungslosigkeit versinken.

Vor ein paar Tagen hat mir eine Freundin mit immer wieder kehrenden massiven Bauchschmerzen anvertraut, dass sie sich schon gewünscht hat alles wäre einfach vorbei und sie hätte keine Schmerzen mehr. Ich versuche ihr nun bei der Suche nach einem Schmerztherapeuten zu helfen (organisch wurde soweit ich weiss alles abgeklärt). Bin nur etwas enttäuscht, dass ihre Ärzte ihr nicht weiter geholfen haben(Überweisung).

Barca hat folgendes geschrieben::
Und wie schon so oft gesagt: Jemand der die Gedanken hat und darüber reden will - gerne, jederzeit, jemand, der mich vor vollendete Tatsachen stellt und die Sprechstunde quasi mit der Ankündigung verlassen will, der macht das Ganze schon komplizierter.

Finde ich super von Dir. (hoffe, dass Du ist ok) Bei meinem Hausarzt habe ich ansich nur das Gefühl, dass er immer im stress ist und keine Zeit hat. So jemandem glaube ich, würde man dann doch nicht so schnell etwas heikles anvertrauen. In der heutigen Zeit ist es doch so, dass für persönliche Gespräche oft keine Zeit bleibt. Ich versuche für alle Probleme in meiner Umgebung ein offenes Ohr zu haben. Hat dann allerdings öfters zur Folge, dass alle anderen schon zu Hause sind während ich endlich meine Arbeit in Ruhe erledigen kann. Nehme ich aber gerne in Kauf. Die Probleme, die ich erfahre, belasten mich dann zum Teil doch sehr, so dass ich dann auch Phasen habe wo ich mich gerne zurückziehe.

LG, Tina
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Satchmo.
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Anmeldungsdatum: 06.07.2008
Beiträge: 26

BeitragVerfasst am: 02.09.08, 07:59    Titel: Antworten mit Zitat

ich würde da schon utnerscheiden wollen zwischen aktiver sterbehilfe (no-go aufgrund gesetztlicher regulative) und aber nen sterbewunsch eines dritten respektieren und dann eben nicht unerwünscht eingreifen.es gibt genug einsame menschen,deren leben so leer ist,daß sie am weiterleben zweifeln.oder kranke,depressive jeden alters,die niemanden haben,denen sie sich anvertrauen können oder wollen.soll man so jemanden zwingen,ein leben ohne lebesnqualität zu leben,wenn er oder sie es beenden will?nein.

ich sag nich,daß man beifall klatschen soll.aber den willen von nen anderen respektieren.mich stört vor allem diese analogie,daß dann sofort immer an nen zwangsweise unterbringung in die psychatrie gedacht wird.wie wird das wohl wer verkraften,der so am boden ist?nicht jeder hat partner oder familie oder berufliche oder andere soziale bindungen.außerdem kostet es ein heidengeld und jeder mensch sollte das recht haben,selbst über sein leben und auch sein ende zu entscheiden.natürlich vorausgesetzt,daß er keine anderen gefährdet z.B. durch riskante verkehrsmanöver.

wenn ich aber angst haben muß,mein hausarzt schickt mich ohne umweg in die psychatrie auf die geschlossene wenn ich suizidgedanken äußere(wie konkret das ist,kann ja nen anderer eh nicht wissen),dann wird nächstesmal der mund eben verschlossen bleiben.wenn aber der arzt gesprächsangebote macht,begleitung anbietet,engmaschige termine etc.halte ich das für viel produktiver.

vg s.
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Barca
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Anmeldungsdatum: 24.05.2008
Beiträge: 508
Wohnort: USA & D

BeitragVerfasst am: 02.09.08, 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

@satchmo:

Und ich würde hier auch eine weitere Unterscheidung anbringen:

a) Patienten, die unheilbar krank sind und nicht mehr leben wollen, weil sie keine Lebensqualität mehr haben
b) Patienten die schwerstgradig depressiv sind und sich umbringen wollen, weil sie keinen Ausweg mehr sehen.

Todeswunsch a) kann ich verstehen und nachvollziehen, ich würde ich so einer Situation wohl auch überlegen, was ich möchte und was nicht.
Todeswunsch b) entstand in einer akuten Krise, ist wohlmöglich unüberlegt und an der Zurechnungs- und Einsichtsfähigkeit des Patienten muss auch gezweifelt werden, wer in soeiner Belastungssituation steckt, der denkt nunmal nicht klar und normal und handelt unüberlegt.

Das Gesprächangebot geht natürlich an beide und wenn man das Gefühl hat, dass der Patient damit klar kommt und stabiler wird, wenn man ihn begleitet, ihm zuhört und mit ihm redet, dann ist das ok. Dann kann man noch versuchen, das medikamentös und psychotherapeutisch zu unterstützen, ggf. ist eine klinische Intervention dann gar nicht erforderlich.
Aber gerade die Gruppe B neigt zu unüberlegten Handlungen und da sage ich auch aus Selbstschutz: Wenn eine Gefährdung durch andere (und ich meine nicht nur Verkehrsmannöver, es ist auch schlimm, wenn man sich einen Suizid ansehen muss -> Kettenreaktion posttraumatische Belastung -> ggf. wird der Zeuge selbst in eine Krise gerissen und suizidal) nicht auszuschließen ist, dann geht der Weg nunmal in die Klinik, so will es das Gesetz. Der Arzt muss dem mutmaßlichen Willen des Patienten erfüllen (wenn dieser gesetzmäßig ist) bei einem unzurechnungsfähigen Patienten kann von keiner "echten" Willensäußerung ausgegangen werden und der mutmaßliche Wille kann dann auch schon vom ausgesprochenen Willen abweichen.

Wie gesagt, ich habe zu keiner Zeit verlangt, dass Patienten, die Andeutungen machen einzuweisen sind (wie du sagtest "daß dann sofort immer an nen zwangsweise unterbringung in die psychatrie gedacht wird"), aber wenn ernste Anzeichen vorhanden sind (wie ernst ich diese einstufe ist von Fall zu Fall vom Arzt zu entscheiden, da wird auch jeder Arzt andere Schmerzgrenzen haben) und man ambulant nicht weiterkommt (auch diese Entscheidung trifft der Arzt, nicht der Patient, idealerweise hat der Patient Einsicht, was leider nicht immer geht), dann muss nunmal eine Entscheidung getroffen werden und die fälle nicht ich als Hausarzt, sondern der Arzt vom Amt.
Ich kann nur meine Bedenken äußern. Der Schutz der anderen geht vor, die Kosten für eine stationäre psychiatrische Behandlung wären mir ehrlich gesagt egal, wenn dafür ein Menschenleben gerettet werden kann.

Aktive Sterbehilfe ist nunmal tabu - that's life. Handeln durch Unterlassen ist auch strafbar, was anderes ist es, wenn der Patient die Behandlung ablehnt, dann sind sowohl mir als auch dem Amtsarzt die Hände gebunden (wenn ein Todkranker mit Patientenverfügung reanimationspflichtig wird, etc.). In allen anderen Fällen muss ich helfen, das habe ich geschworen.
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Anelie
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Anmeldungsdatum: 29.08.2008
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 03.09.08, 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

Guten Abend,

ich möcht mich mal in diese interessante Diskussion einschalten.

Es wird hier von der Palliativmedizin gesprochen, die das Sterben erleichtern kann.
Das stimmt, und es gibt Hospizinitiativen (ich bin Mitglied in einer solchen Initiative), die sich für ein menschenwürdiges Sterben einsetzen.

Bei uns in N. gibt es im städtischen Krankenhaus seit 2 Jahren eine Palliativstation mit 6 Betten. Hier werden die Sterbenden optimal betreut, physisch und psychisch. Sie erhalten so viel Schmerzmittel wie sie benötigen. Es ist ein friedevoller Ort.

Allein für unsere Stadt würden wir aber ca. 500 solcher Betten benötigen, nicht nur 6. Und hier liegt das große Problem: Eine adäquate Sterbebegleitung kann nur eine ganz verschwindend geringe Minderheit erhalten. Alle anderen Patienten sterben auf normalen Stationen, wo sie vor allem keine adäquate Schmerztherapie bekommen. Nicht etwa, weil die Ärzte es nicht wollen, sondern weil sie es nicht dürfen.
Ein mir bekannter Internist erzählte mir einmal, welche enormen bürokratischen Hürden er zu überwinden habe, wenn er einem Patienten Morphium verschreiben wolle. Er sagte, es sei unmöglich, alle seine Patienten adäquat mit Schmerzmitteln zu versorgen.

Als ich vor einigen Monaten bei Freunden in England war, lernte ich einen dortigen Arzt kennen, der mich im Gespräch fragte: 'Was ist mit der Schmerzbekämpfung in Deutschland los?' Er berichtete dann, dass es mit den umliegenden Ländern (in erster Linie England, Holland, Belgien) eine schwungvollen Handel mit schmerzlindernden Arzneimitteln gäbe, der sich rechtlich in einer Grauzone befände. Angehörige von deutschen Schmerzpatienten würden sich in ihrer Not an ausländische Ärzte wenden, um so an Morphium zu kommen.
Was die Schmerzmedikation anbelangt, ist Deutschland ein Entwicklungsland (obwohl sich schon eingies gebessert hat).

Unerträgliche Schmerzen sind einer der Hauptgründe für Suizidgedanken bei Kranken.
Meine Mutter starb unter entsetzlichen Schmerzen an Magenkrebs. Sie bat uns immer wieder, ihr beim Selbstmord zu helfen. Wir haben es natürlich nicht getan, auch der Arzt nicht.
Aber ihren Selbstmordwunsch konnte ich nur zu gut verstehen.
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Brigitte Goretzky
DMF-Moderator


Anmeldungsdatum: 26.08.2006
Beiträge: 1947
Wohnort: Keighley, West Yorkshire

BeitragVerfasst am: 03.09.08, 23:47    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Anelie hat folgendes geschrieben::
Alle anderen Patienten sterben auf normalen Stationen, wo sie vor allem keine adäquate Schmerztherapie bekommen. Nicht etwa, weil die Ärzte es nicht wollen, sondern weil sie es nicht dürfen.


Mit Verlaub, aber das ist Unfug. Ein Arzt darf die noetigen Schmerzmittel verschreiben.

Zitat:
Ein mir bekannter Internist erzählte mir einmal, welche enormen bürokratischen Hürden er zu überwinden habe, wenn er einem Patienten Morphium verschreiben wolle.


Hier haben Sie sich einen Baeren aufbinden lassen. Der Arzt muss ein Betaeubungsmittelrezept ausstellen - ok, das ist etwas aufwendiger als ein einfaches Kassenrezept, zumal er das nicht auf seine Sprechstundenhilfe abwaelzen kann.

Wenn er wollte, koennte er alle seine Patienten adaequat mit Schmerzmitteln versorgen, zumal der groesste Teil der internistischen Patienten vermutlich keine Betaeubungsmittel benoetigen...

Viele Gruesse,
B. Goretzky
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Anelie
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Anmeldungsdatum: 29.08.2008
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 04.09.08, 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo, Brigitte Goretzky,

im Deutschen Ärzteblatt vom 8. Oktober 2004 heißt es:

Schmerzgesellschaft kritisiert „erschreckende Defizite“ in der Versorgung
BERLIN. Anlässlich des „Weltweiten Tages gegen den Schmerz“ am 11. Oktober hat der Arbeitskreis Tumorschmerztherapie der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) „erschreckende Defizite“ in der Versorgung von Patienten in Deutschland kritisiert.
Über 250 000 Menschen in Deutschland litten aufgrund ihrer Krebserkrankung weiterhin unter Schmerzen und noch immer mindestens die Hälfte erhalte keine ausreichende Behandlung. „Wir dürfen diesen Zustand nicht länger hinnehmen und uns nicht auf allmähliche Besserungen verlassen“, erklärte Dr. Gerhard Hege-Scheuing, Sprecher des DGSS-Arbeitskreises Tumorschmerztherapie.

http://www.promann-hamburg.de/Texte/Schmerz/Pain-Juerg.pdf

Halten Sie diesen Bericht für unseriös?

Lesen Sie bitte auch hier:

http://www.thieme.de/viamedici/aktuelles/wissenschaft/74_schmerz_krebs.html

...im Morphinverbrauch sei Deutschland mit 20 kg Morphin pro eine Million Einwohner eines der Schlusslichter. In Dänemark, laut Dr. Wirz eines der wenigen Länder mit vorbildlicher schmerzmedizinischer Versorgung, würden Ärzte viermal mehr Morphin einsetzen (80 Kilogramm pro eine Million Einwohner).

Die Ursachen sieht Dr. Wirz einmal in "zu vielen bürokratischen Hürden" bei der Ausstellung von Betäubungsmittelrezepten. Deren Gültigkeit sei zu kurz und die erlaubten Dosierungen zu niedrig. Zum anderen hätten viele Ärzte eine Scheu vor dem Einsatz von Morphin. Manche würden es – wegen der Gefahr lebensgefährlicher Atemstörungen bei hohen Dosierungen – fälschlicherweise als ein Mittel zur passiven Sterbehilfe betrachten.


Mit freundlichem Gruß,
Anelie
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Coza
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 343

BeitragVerfasst am: 04.09.08, 06:38    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Anelie!

Für die Möglichkeit der Ausstellung von BTM-Rezepten ist eine Zulassung beim Bundesopiumamt erforderlich. Die muß einmalig beantragt werden und man muß ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis haben. Aber selbst diese einmalige Beantragung ist machen Ärzten zu viel oder sie haben gerade ein Verfahren am Hals, weil sie die Geschwindigkeit im Straßenverkehr überschritten haben Winken.

Bezüglich Dosierung gibt es keine Probleme, man kann die Maximaldosierungen in begründeten Fällen durchaus überschreiten.

Problem ist eher, daß es in D nicht genügend Schmerztherapeuten gibt bzw. eine tatsächliche Angst einiger Ärzte vor angepaßten Dosierungen.

Liebe Grüße

Coza
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Anelie
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Anmeldungsdatum: 29.08.2008
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 04.09.08, 12:07    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo, Coza,

Sie haben Recht, es gibt zu wenig und auch zu wenig gut ausgebildete Schmerztherapeuten in Deutschland. Manche Ärzte scheinen auf dem Standpunkt zu stehen, dass Schmerzen zu einer Krankheit, insbesondere Krebs, einfach dazugehören, und die Kranken glauben das auch, weil sie gar nicht wissen, dass Schmerzen (selbst Krebsschmerzen) mit modernen Medikamenten meistens gut in den Griff zu bekommen sind. Den Schmerzen sollten Ärzte genau so viel Aufmerksamkeit widmen wie der eigentlichen Behandlung.

Der Arzt, der meine Mutter behandelte, sagte immer: 'Mehr Morphium darf ich nicht verschreiben'. Das war sein Standardsatz. Der andere war: 'Sie wollen doch nicht, dass Ihre Mutter süchtig wird.' Meine Mutter war 84. Und wenn sie süchtig geworden wäre in ihrem letzten Lebensjahr? Wenn sie dafür schmerzfrei gewesen wäre? Was wäre daran so schlimm gewesen?

Ich sehe bei meiner Arbeit in der Hospizinitiative, dass schwerstkranke Menschen, wenn sie keine oder kaum mehr Schmerzen haben, aufblühen und dass ihr Wunsch, Selbstmord zu begehen, plötzlich nicht mehr vorhanden ist.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass Ärzte Patienten, die unheilbar krank sind und deren LEIDEN nicht zu beheben sind (z. B. nicht therapierbare Schmerzen, Ganzkörperlähmung, künstliche Beatmung etc.) das Leben nicht um jeden Preis verlängern sollten. Wenn durch hohe Morphiumgaben das Leben um einige Tage oder evt. sogar Wochen verkürzt werden sollte, so ist das ein Preis, den Patienten für Schmerzfreiheit gern zu zahlen bereit sind. Und dem Arzt, der eine hohe Morphiumdosis verschreibt, sollten dabei keine Steine in den Weg gelegt werden. Natürlich sollte der Arzt die Kranken vorher aufklären und alles mit ihnen besprechen.
Leid zu lindern ist die eigentliche Aufgabe der Ärzte, sie ist noch wichtiger als Lebensverlängerung um jeden Preis.

Viele Grüße,
Anelie
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Barca
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Anmeldungsdatum: 24.05.2008
Beiträge: 508
Wohnort: USA & D

BeitragVerfasst am: 04.09.08, 13:14    Titel: Antworten mit Zitat

Anelie hat folgendes geschrieben::
Im übrigen bin ich der Meinung, dass Ärzte Patienten, die unheilbar krank sind und deren LEIDEN nicht zu beheben sind (z. B. nicht therapierbare Schmerzen, Ganzkörperlähmung, künstliche Beatmung etc.) das Leben nicht um jeden Preis verlängern sollten. Wenn durch hohe Morphiumgaben das Leben um einige Tage oder evt. sogar Wochen verkürzt werden sollte, so ist das ein Preis, den Patienten für Schmerzfreiheit gern zu zahlen bereit sind. Und dem Arzt, der eine hohe Morphiumdosis verschreibt, sollten dabei keine Steine in den Weg gelegt werden. Natürlich sollte der Arzt die Kranken vorher aufklären und alles mit ihnen besprechen.
Leid zu lindern ist die eigentliche Aufgabe der Ärzte, sie ist noch wichtiger als Lebensverlängerung um jeden Preis.


In unserer heutigen Verwaltung ist es aber nicht machbar über unsere Aufgaben zu diskutieren, es gibt gesetzliche Grundlagen, die wir einfach hinzunehmen haben.
Unabhängig davon möchte ich einige Gedankengänge anbringen:

a) wenn mir bekannt ist, dass ein Patient unheilbar krank ist, im Sterben liegt oder vielleicht gerade reanimationspflichtig wird, weil er uns entgleitet, dann habe ich durchaus das Recht, alle Wiederbelebungsmaßnahmen abzubrechen, wenn diese nicht binnen kürzester Zeit zum Erfolg verholfen haben, weil jede Minute die verstreicht das Leiden weiter verschlimmert, ich möchte nicht in einem Körper stecken, der 40, 50 Minuten reanimiert wurde. Ich vermag nicht zu beurteilen, in welchem Zustand der Mensch danach ist, aber besser als vorher ist es in keinem Fall, selbst wenn er überlebt, nach 50 Minuten Reanimation ist das sicherlich kein Erfolg mehr. Daher werte ich den Abbruch (nicht die Unterlassung) von Reanimationsmaßnahmen nicht als aktive Sterbehilfe, sondern handle dem mutmaßlichen Willen des Patienten nach indem ich schlimmeres (nicht weiteres!) Leiden verhindere.

b) wie ich hier schon oft geschrieben habe, wenn ich einem agonischen Patienten eine hohe Morphindosis spritze (keine Überdosis!), dann nehme ich dadurch unter Umständen in Kauf, das Leben des Patienten zu verkürzen (das sage ich dem Patienten auch), dies ist jedoch kein gewollter Effekt, sondern eine mögliche Nebenwirkung der hohen Dosis, die nicht eintreten muss, aber eintreten kann. Primär macht man das, um dem Patienten Schmerzfreiheit zu bringen, ihn zu beruhigen und ein wenig die Ängste zu lösen, sie merken ja doch, dass sie nun in der finalen Phase ihres Lebens sind. Auch das werte ich nicht als Beihilfe zum Suizid oder als aktive Sterbehilfe, sondern als palliative Maßnahme der Schmerzbehandlung. Gerade bei Morphin gilt der Grundsatz: soviel wie nötig - so wenig wie möglich. Und wenn der Patient die therapeutische Tagesdosis kurzzeitig überschreiten muss, um schmerzfrei zu sein, dann ist das so. Opioide haben den Vorteil, dass man sie den Schmerzen des Patienten anpassen kann.

Und die Verordnung von hohen Dosen ist eine Sache, aber selbst wenn der Patient nur eine Kapsel am Tag nehmen soll - wie verhindere ich, dass er sich eines Tages die ganze Packung auf einmal zuführt? Ich kann es nicht, daher nochmal: wer sich umbringen will, der schafft das auch, aber man muss es nicht unterstützen. Umbringen kann er sich immer, egal ob mit oder ohne MST.

Und: wer Schmerzmittel braucht, der bekommt diese, ich habe weder in der Klinik noch in der Praxis erlebt, dass irgendwann mal eine Kasse gemeckert hat, solange man den erhöhten Bedarf und die Überschreitung der Regelmenge begründen kann.
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Coza
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Anmeldungsdatum: 31.10.2005
Beiträge: 343

BeitragVerfasst am: 04.09.08, 18:16    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Anelie!

Die Überschrift des gesamten Forums paßt eigentlich nicht zum jetzt diskutierten Thema. Schmerztherapie hat meines Erachtens absolut nichts mit Beihilfe zum Suizid zu tun. Und auch hat Schmerztherapie nichts damit zu tun, ob ein Mensch noch eine Prognose und Überlebenschance hat oder nicht.
Auch Patienten mit kurablen Grundleiden können Schmerzen haben und dann haben wir Ärzte, neben der kausalen Therapie, auch die Pflicht, etwas gegen die Schmerzen zu tun. Die kausale Therapie und die symptomatische Therapie schließen in der Regel einander nicht aus.

Die Suchtgefahr ist bei realen und nachweisbaren Schmerzen, insbesondere auch bei fortgeschrittenen Krebsstadien, erstens nicht wirklich gegeben und zweitens, zu vernachlässigen.

Neben der allgemeinen Opiattherapie (da gibt es übrigens nicht nur Morphium) sind weitere Möglichkeiten einer adäquaten Schmerztherapie vorhanden, ich denke da auch an implantierbare Schmerzpumpen, an Möglichkeiten der Regionalanästhesie etc.
Mitunter helfen sogar Palliativoperationen, Schmerzen zu vermindern.

Nichts von alledem verstößt gegen gesetzliche Bestimmungen, diesbezüglich gebe ich Barca völlig Recht.
Aber kein betroffener Patient ist so allgemein, daß man schematisch darüber diskutieren kann.

Was den beschriebenen Fall Ihrer Mutter betrifft, so denke ich, daß der behandelnde Arzt sicher nicht auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse und der gesetzlich und medizinisch gegebenen Möglichkeiten war, aber im Rahmen der politisch gewollten Ausdünnung der Ärzteschaft in Deutschland wird es sicher in Zukunft immer schwieriger werden, einen bedürftigen Patienten und einen geeigneten Arzt zusammenzuführen. Das gilt nicht nur für die Schmerztherapie, sondern auch für viele andere Erkrankungen.

Viele Grüße

Coza
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Anelie
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Anmeldungsdatum: 29.08.2008
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 04.09.08, 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo, Coza,

danke für Ihre Antwort.
Ich finde schon, dass das Thema Schmerztherapie ein Teilaspekt des Themas Suizid ist, denn viele Patienten, die sehr große Schmerzen haben, bitten ihre Ärzte (und Angehörige!) um Beihilfe zum Suizid.
Bei diesen Patienten zumindest kann man etwas tun, um sie von ihren Selbstmordgedanken abzubringen, nämlich indem man ihre Schmerzen lindert. Dann wollen sie plötzlich gern noch weiterleben. Das habe ich schon oft bei meiner Arbeit in der Hospizinitiative erlebt. Es ist einfach wunderbar zu erleben, wie Menschen, vor Schmerzen gekrümmt und inständig um 'Erlösung' bittend, durch eine adäquate Schmerzmedikation plötzlich lächeln, an ihrer Umgebung wieder teilnehmen, wieder Freude empfinden, auch wenn sie wissen, dass sie bald sterben müssen.
Eine unserer Patientinnen hat sogar mit einer Schmerzpumpe versehen und in Begleitung ihrer Tochter eine Reise zu den Stätten ihrer Kindheit in Pommern unternommen.
Sie ist vier Monate später friedlich eingeschlafen.
Wie sehr hätte ich meiner Mutter einen solchen friedlichen Tod gewünscht.

Eine adäquate individuelle Schmerztherapie scheint mir nicht nur eine Frage der Ärzteausbildung zu sein, sondern auch eine finanzielle Frage. Im Rahmen der 'politisch gewollten Ausdünnung der Ärzteschaft' werden immer weniger Ärzte die Zeit haben, eine individuelle Schmerztherapie zu erstellen und auch nicht das Budget um z. B. notwendige Schmerzpumpen einzubauen oder Regionalanästhesien durchzuführen.
Aber das ist ein anderes Problem.

Was tun Sie als Arzt, wenn Kranke oder deren Angehörige um 'Erlösung' bitten?

Viele Grüße,
Anelie
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